Amnesty: „Ein schwarzer Tag für die Freiheit in Indien“

INDIEN Oberstes Gericht erklärt Homosexualität, die erst seit 2009 legalisiert war, wieder für strafbar

BERLIN taz | Indiens Oberster Gerichtshof hat am Mittwoch in Delhi die Aufhebung des Verbots von Homosexualität für rechtswidrig erklärt. Vertreter von Hinduisten, Muslimen und Christen waren gegen ein entsprechendes Urteil des Hohen Gerichtshofs von 2009 in Berufung gegangen. Der hatte damals in einer Grundsatzentscheidung das noch aus der britischen Kolonialzeit stammende und von Moralvorstellungen der viktorianischen Zeit geprägte Verbot aufgehoben, weil dies gegen das Gleichheitsgebot der Verfassung verstoße.

Die treibende Kraft für die längst überfällige Reform, die einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Sex unter Erwachsenen legalisierte, war damals die Aids-Hilfe-Organisation Naz-Foundation gewesen. Sie hatte sieben Jahre lang gegen den Artikel 377 des indischen Strafgesetzbuches prozessiert. Dieser verbietet „Geschlechtsverkehr gegen die natürliche Ordnung“, ohne diese allerdings explizit zu definieren. Vorgesehen sind Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Laut dem Urteil ist Artikel 377 sehr wohl mit der Verfassung vereinbar. Die Richter verwiesen in ihrem Urteil aber darauf, dass nicht nur eine weitere Berufung möglich ist, sondern das Parlament doch das umstrittene Gesetz aufheben könne.

Wahlen bremsen Reform

Das ist aber zumindest in nächster Zeit unwahrscheinlich. Denn spätestens im Mai wird ein neues Parlament gewählt. Schon bisher hat die von der säkularen Kongresspartei geführte Regierung zu dem Thema eine klare Position vermieden. Bei den Wahlen wird jetzt ein Rechtsrutsch zur hindunationalischen BJP erwartet, die gerade vier Landtagswahlen gewonnen hat.

Während die Befürworter des Verbots darin einen Sieg der indischen Kultur und des dominanten (konservativen) Wertesystems sehen, sehen Gegner darin einen „Rückschritt ins Mittelalter“. Das Urteil werde zu mehr Verfolgung Homosexueller durch die Polizei führen und Menschen in den Untergrund treiben, sagte der Schwulenaktivist Ashok Row Kavi. „Das ist ein schrecklicher Rückschlag für die Gemeinschaft der Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen.“ Die indische Sektion von Amnesty International sprach von einem „schwarzen Tag für die Freiheit in Indien“.

SVEN HANSEN