1:0 für Costa Rica – zumindest im Öko-Vergleich

Fast der gesamte Stromverbrauch von Deutschlands erstem WM-Gegner wird aus regenerativen Quellen gewonnen

HAMBURG taz ■ Egal, wie das Eröffnungsspiel der Fußballweltmeisterschaft ausgeht: Deutschlands Gegner Costa Rica ist bereits Weltmeister. 99 Prozent des produzierten Stroms wurden laut Jahresbericht des nationalen Instituts für Energie (ICE) im Jahr 2004 aus regenerativen Quellen gewonnen. In Deutschland waren es nur etwa 10 Prozent.

„Thermische Kraftwerke werden, obwohl sie rund 20 Prozent der Kraftwerkskapazität unseres Landes ausmachen, nur als Schwankungsreserve eingesetzt“, erklärt Arturo Molina vom nationalen Umwelt- und Energieministerium der taz. Mit „thermischen Kraftwerken“ meint Molina solche, die mit Erdgas,-öl oder Kohle befeuert werden. Die werden nur angefahren, wenn der Strombedarf höher ist als die vorhandene Strommenge – die ausschließlich durch Wasser-, Erdwärme- und Windkraftwerke erzeugt wird.

Anders als in Deutschland führte kluge Politik zur Sonderstellung Costa Ricas. „Wir haben die Lehren aus der Erdölkrise in den 70er-Jahren gezogen und rechtzeitig umgestellt“, erklärt Molina. Die Sonderstellung wird auch klar, wenn man Deutschlands Fußball-Gruppengegner mit dessen Nachbarn vergleicht. Molina: „Anders als Nicaragua, Panama oder El Salvador leiden wir kaum unter dem Boom des Rohölpreises.“ Gerade 0,83 Prozent des Stromes wurde 2004 aus fossilen Brennstoffe erzeugt, was die Devisenreserven des rohstoffarmen Landes merklich schonte. Dass das System einer fast ausschließlich regenerativen Energiewirtschaft funktioniert, liegt an einer perfekten Abstimmung zwischen den Kraftwerken. „In der Trockenzeit laufen zum Beispiel die Windräder auf Volllast“, erklärt Ingenieur Sergio Castro Zúñiga. „Ist der Wasserstand in der Regenzeit hingegen hoch, wird die Stromproduktion aus Erdwärme und Windenergie zurückgefahren.“

Dafür ist es nötig, den steigenden Bedarf genau zu kalkulieren. Jährlich steigt der Strombedarf Costa Ricas um 4 bis 6 Prozent. 97 Prozent der Ticos – wie sich die Costa-Ricaner nennen – haben einen Stromanschluss. „Kontinuierlich muss demzufolge in neue Kraftwerke investiert werden“, so Castro. Der Geologe gehört zum Team des Miravalles-Kraftwerks im Norden des Landes. Rund 160 Megawatt Leistung hat das größte Erdwärmekraftwerk Mittelamerikas und es liefert rund 15 Prozent des Strombedarfs des Landes. Der Geruch von faulen Eiern hängt in der Luft, denn der dem Kraftwerk gegenüberliegende Vulkan Miravalles ist aktiv. Über rund fünfzig Bohrlöcher wird Wasser in die Tiefe gepresst, das als heißer Wasserdampf wieder aufsteigt und den Turbinen zugeleitet wird. Kontinuierlich liefern die riesigen 55-Megawatt-Generatoren in der Maschinenhalle Strom, der ins nationale Netz eingespeist wird. Und die Nutzung der Wärme aus der Erde soll ausgebaut werden.

Ein weiteres Kraftwerk mit 35 Megawatt Leistung ist geplant, das Energiepotenzial aus der Tiefe ist immens. „Schätzungen pendeln zwischen 800 Megawatt und einigen Gigawatt zu installierender Kraftwerksleistung, doch es ist ausgesprochen schwer, diese zu erschließen“, sagt Sergio Castro. Nahezu alle Vulkane des Landes liegen in Nationalparks. „Dort können wir schlecht ein Kraftwerk hinsetzen.“ Anders als in Deutschland versorgt in Costa Rica ein Staatsunternehmen mit Strom. Dem fehlt jedoch Kapital, um die Kapazität kontinuierlich auszubauen, weshalb Präsident Óscar Arias für die Privatisierung des Unternehmens plädiert.

Allerdings muss man Costa Ricas Erfolg relativieren: Mit einem Stromverbrauch von 1.737 Kilowattstunden pro Kopf spielt das Land allenfalls in der Dritten Energie-Liga. Deutschland dagegen gehört mit dem 3,5-Fachen zur Weltspitze. KNUT HENKEL