Braunkohle wichtiger als Obstbäume

Eine Wiese in Otzenrath beschäftigte gestern das Düsseldorfer Verwaltungsgericht. Denn sie liegt am Rande des Braunkohlegebietes Garzweiler II. Und sie gehört dem BUND. Doch die Umweltschützer sollen zwangsenteignet werden

AUS DÜSSELDORF HENK RAIJER

Die Zwangsenteignung einer Obstwiese bei Otzenrath ist rechtens, der Energieriese RWE darf auch dort nach Braunkohle baggern. Das entschied gestern das Düsseldorfer Verwaltungsgericht, vor dem der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) geklagt hatte. Die Bezirksregierung Arnsberg hatte bereits verfügt, dass die Wiese zugunsten des geplanten Braunkohleabbaus zwangsenteignet werden darf. Das Gericht bestätigte nun die Sicht der Bezirksregierung.

Vor neun Jahren hatte der BUND das rund ein Hektar große Areal am Rande des inzwischen weitgehend zerstörten Dorfes Otzenrath an der A 44 zwischen Mönchengladbach und Aachen erworben. Die Umweltschützer ahnten, dass sie damit einmal die Pläne RWEs für Garzweiler II behindern könnten.

Denn die Wiese mit den 90 Kirsch-, Zwetschgen- und Apfelbäumen liegt unmittelbar an der Abbruchkante des 48 Quadratkilometer großen Braunkohletageabbaus. Sie soll im Jahr 2008 abgebaggert werden. Sobald der Braunkohlevorrat von Garzweiler I ausgeschöpft ist, will RWE hier das restliche Gebiet bis zur Autobahn abbaggern. Dazu zählen auch 10.000 Quadratmeter unter den Obstbäumen des BUND, die in diesem Sommer erstmals Früchte tragen könnten.

Doch das Gericht entschied gestern zugunsten der RWE. Die Klage des BUND wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die Versorgung mit Rohstoffen ist zur Sicherung der Versorgung mit Energie nötig, begründete der Richter. Das Argument der Umweltschützer, die auf einen möglichen Ersatz der Braunkohle durch andere Energieträger hingewiesen hatten, ließ der Richter nicht gelten. Erst wenn sicher sei, dass die Kohle tatsächlich ersetzt würde, wäre die Versorgungssicherheit wieder gewährleistet.

Eine Berufung ist aber möglich und der BUND will „den Instanzenweg voll ausschöpfen“, sagt Dirk Jansen, Geschäftsleiter des BUND-Landesverbandes NRW. Bereits gestern demonstrierten eine Hand voll Mitstreiter mit einer Mahnwache gegen den Braunkohletagebau Garzweiler II vor dem Gerichtsgebäude in Düsseldorf.

Bislang baggerte RWE in gebührender Entfernung von dem Gelände, während sich Otzenrath allmählich entvölkerte. BUND-Mitarbeiter und -Mitglieder gelangten häufig nur auf Umwegen zu ihrem Grundstück. Schilder mit „Betreten verboten“ zierten das Land um das Dorf, dessen gut 800 Einwohner inzwischen auf Druck des Energieunternehmens mehrheitlich ins neu gebaute Spenrath fortgezogen sind.

Dort lebt auch seit einem halben Jahr Margarete Mehl. Die Mittfünfzigerin hat 15 Jahre gegen den Tagebau gekämpft – vergebens. „Meine Heimat ist unweigerlich tot, ich kann da nicht mehr hin“, sagt sie.

Auch auf dem Grundstück mit den Obstbäumen sind die Besitzer nicht mehr ungestört. „RWE tut schon seit geraumer Zeit so, als gehöre ihr die Wiese“, sagt Dirk Jansen. „Die Leute vom Werkschutz sind schon zu uns gekommen und haben gefragt, was wir denn auf der Wiese zu suchen hätten.“