Angebot zur Bildung

COMIC-SALON 2010 Am Wochenende trafen sich die Comic-Freaks zu ihrer 14. zweijährlichen Jahreshauptversammlung in Erlangen

VON OLIVER RISTAU

Am Sonntag ging der vierzehnte Comic-Salon in Erlangen zu Ende. Eines der Hauptthemen war diesmal die Vergangenheit und Gegenwart des Comicstrips in Tageszeitungen. Die Veranstalter zählten 25.000 Besucher.

Eine der Ausstellungen in Erlangen trug den Titel „Vom Leben gezeichnet“. Sie zeigte Strips aus der FAZ, Frankfurter Rundschau, WAZ, Tagesspiegel oder taz auf Stellwänden und in den Nachdrucken aus den vor Ort ausliegenden „Erlanger Comic-Blättern“. Die Gesprächsrunde „Zurück zu den Wurzeln“ mit den Redakteuren Andreas Platthaus (FAZ), Lars von Törne (Tagesspiegel, Berlin) sowie den Zeichnern Ralf König und Flix beleuchtete die aktuelle Renaissance des Zeitungsstrips. In einer knappen Stunde erfuhr man Interessantes über erboste Reaktionen von FAZ-Leserinnen auf den mit religiöser Thematik befassten Strip „Archetyp“ von Ralf König. Auch von den Schwierigkeiten der Redakteure, Comicveröffentlichungen in ihren Blättern zu platzieren. Wenig jedoch über die Kulturgeschichte dieses aus den Anfängen der Comic-Kultur stammenden Genres und kaum einen Blick in die Zukunft.

Gezeigt wurden im großen Saal des Erlanger Kongresszentrums auch Originale und seltene Sonntagsseiten aus den Pionierjahren der US-amerikanischen Zeitungscomics. Zu sehen waren Werke von William James Sinnott aus „Vivian und Viola“ von 1905, die zeichnerische Perfektion von Hal Fosters „Prinz Eisenherz“ oder Alex Raymonds „Flash Gordon“ der Dreißiger- und Vierzigerjahre. Aber auch zeitgenössische Arbeiten von Tony Millionaire aus dem Jahr 2008. So dokumentierte man mit einem informativen Begleittext Entwicklung und Eigenständigkeit dieser Form der Bilderzählung.

Die sich aus dem übergroßen Seitenformat der Sonntagsseiten bietenden gestalterischen Möglichkeiten sowie die sich aus der Publikationsform ergebende Aktualität wurden deutlich sichtbar. Auch wie die Traumdeutung Sigmund Freuds die fantastischen Bildwelten eines Winsor McKay zum Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts beeinflussten. Sehr schön auch der Hinweis auf Walt Kellys Strip „Pogo“, dessen Zeichnungen die tagesaktuelle politische Kommentierung in den Sechzigerjahren dokumentierten. Thematisch verwandte Künstler wie Al Capp oder Garry B. Trudeau blieben in der Ausstellung jedoch leider unberücksichtigt. Und erst durch die Kataloglektüre erfährt man von den konzeptionellen Überlegungen der damaligen US-amerikanischen Zeitungsmacher.

Der Comicstrip zielte ursprünglich auf leseschwache Einwanderer im Erwachsenenalter ab. Diese galten als von traditionellen Kulturangeboten ausgegrenzt. Der Comicstrip war also auch ein Angebot zur Bildung und Integration, zumindest aber zur Unterhaltung benachteiligter Bevölkerungsgruppen. Die FAZ macht also im Grunde heute nicht viel anderes, so sie, wie auch von Ralf König anlässlich von Signierstunden selber mitgeteilt, neue Leserkreise an das Werk des deutschen Comic-Künstlers und so der Zeitung heranführt.

Nutzt man das Wissen über die Stärken des Zeitungstrips für eine Prognose, so böte das Überformat einer Zeitungscomicseite eine Möglichkeit für Printmedien, neben neuen Publikationsformen wie beispielsweise Tablet-PCs zu bestehen. Es sei dabei auch auf Dave Eggers’ Ende letzten Jahres erschienenes Zeitungsobjekt „San Francisco Panorama“ verwiesen. Das präsentierte er in einem Format, das detailgetreue Abbildung mit einem Bildschirm unmöglich macht. Außer man wäre bereit, einen Flachbildschirm mit einer Diagonale von 40 Zoll mit sich herumzutragen.

Auffällig sei dieses Jahr in Erlangen vor allem das neue Selbstbewusstsein der deutschen Szene gewesen, so die Veranstalter des Comic-Salons. Noch vor wenigen Jahren dominierten die internationalen Stars, inzwischen hat sich auch die deutschsprachige Szene weiterentwickelt. Im Blickpunkt standen in diesem Jahr Jens Harder mit seiner Evolutionserzählung „Alpha. Directions“ (Max-und-Moritz-Preis für den besten deutschsprachigen Comic), Nicolas Mahler (Max-und-Moritz-Preis als bester deutschsprachiger Comic-Künstler) und Ulli Lust (ICOM-Preis und Max-und-Moritz-Publikumspreis für „Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens“). Den Max-und-Moritz-Preis für sein herausragendes Lebenswerk erhielt der französische Szenarist Pierre Christin. Er wurde entsprechend gefeiert.