Zu Hause in Neukölln

NEUBAU Ein Immobilien-Multi plant Eigentums- wohnungen und übt sich in Gefälligkeit

Eingeladen wird an den Ort des Geschehens, auf das Gelände der ehemaligen Kindl Brauerei in Neukölln. Eine urige Gaststätte wurde angemietet, mit Holzvertäfelung und Bierhumpen, die Pferdegeschirre der alten Brauerei hängen noch an der Wand. Der Raum atmet das traditionelle Neukölln, nur der Hopfengeruch fehlt für die perfekte Inszenierung. Hier will ein Unternehmen vermitteln: Wir sind kein böser Investor. Wir sind hier verankert, mitten im Kiez.

Ein paar Herren in Anzügen lehnen an Stehtischen, Nikolaus Ziegert, der Geschäftsführer des Immobilienunternehmens Ziegert, der Investor Jan Peters, der Architekt Tobias Nöfer. Vor der holzvertäfelten Wand sind Werbetafeln aufgestellt: „Kaufen ist das neue Mieten.“ Anhand eines Modells wird erklärt, was auf der Brachfläche vor dem Gasthaus entstehen soll.

33 Millionen Euro

Geplant ist ein Neubau mit 119 Eigentumswohnungen, Gesamtumfang des Projekts: 33 Millionen Euro. Es ist laut Ziegert das erste Neubauprojekt in Neukölln seit etwa zehn Jahren.

Die Freifläche befindet sich gegenüber dem Jobcenter an der Mainzer Straße im Rollbergkiez. Die neuen Eigentümer jedoch werden vermutlich nicht vom kurzen Weg zum Arbeitslosengeld profitieren: Die Preise liegen zwischen 120.000 Euro für eine Einzimmerwohnung und 780.000 Euro für ein Penthouse mit fünf Zimmern.

Neben der Vorstellung des neuen Bauprojekts zeigt die Ziegert GmbH zugleich ihre veränderte Kommunikationsstrategie. In der Vergangenheit waren Projekte des Unternehmens von Protesten begleitet worden. In der Kreuzberger Bevernstraße wurde bei einem Neubau das Fundament geflutet, in der Kreuzbergstraße flogen Farbbeutel und brannte ein Dixiklo.

Diesmal aber soll alles anders werden, weshalb das Unternehmen an seinem Außenauftritt gearbeitet hat: Es gibt jetzt einen Zuständigen für Quartiersentwicklung, der auch gleich Spenden für soziale Projekte und eine Zusammenarbeit mit der angrenzenden Hermann-Boddin-Schule verspricht. 10 Prozent der neuen Wohnungen sollen außerdem an Familien mit einem Haushaltseinkommen unter 3.800 Euro vergeben werden. Dafür verzichtet die Ziegert GmbH sogar auf ihre Provision, sagt der Geschäftsführer.

Als weiteren Fürsprecher hat das Unternehmen Wolfgang Rühlmann eingeladen, einen älteren Herrn aus dem Kiez, der sich im benachbarten Gemeinschaftshaus und in der Senioreninitiative engagiert und sagt: „Ick bin Neukölln.“ Er findet das Neubauprojekt toll. Angst vor negativen Folgen für den Kiez hat er nicht. Der Sprecher von Ziegert nickt zufrieden. KERSTEN AUGUSTIN