Angebliche Al-Qaida-Gelder: Terror-Geld fließt zurück

Das UN-Sanktionskomitee streicht das somalische Bankennetzwerk al-Barakaat von der Terrorliste und räumt Fehler ein. Demnächst soll das Geld zurückgezahlt werden.

Die somalische Bank al-Barakaat in Mogadischu. Bild: reuters

Einige tausend SomalierInnen können in der nächsten Zeit mit der Auszahlung von Geldern rechnen, die in Europa lebende Angehörige ihnen schon 2001 überwiesen haben. Wegen des Fehlens eines funktionierenden Bankensystems geschieht das über den zuverlässigsten, schnellsten und in vielen Fällen einzig möglichen Weg: ein "Hawala"-Geldtransfernetzwerk.

Dass sie auf das Geld acht Jahre warten mussten, haben sie den Vereinten Nationen zu verdanken. Im Gefolge von 9/11 hatte deren Sanktionskomitee das somalische Bankennetzwerk al-Barakaat auf die UN-Terrorliste gesetzt, genau wie die in Stockholm wohnhaften Betreiber von "Barakaat International". Alle Konten wurden beschlagnahmt. Nun gab das UN-Sanktionskomitee bekannt, dass Barakaat International auf seiner "consolidated list" mit Wirkung vom 22. Oktober 2009 gestrichen wurde.

Das Netzwerk und seine Betreiber wurden Opfer eines Automatismus. US-Geheimdienste hatten nach dem Angriff auf die Twin-Towers angeblich Anhaltspunkte dafür, dass al-Barakaat als Schleuse zur Terrorfinanzierung verwendet werden könnte. "Hawala"-Finanztransfersysteme beruhen auf dem Vertrauen der Beteiligten und entziehen sich dem Einblick durch Außenstehende. Beispielsweise in Stockholm eingezahltes Geld wird gegen eine kleine Provision an Banken in Mogadischu überführt, dort von Vertrauensleuten abgehoben und über private Kanäle direkt an die EmpfängerInnen in Somalia ausgezahlt.

Es könnte aber genauso gut bei al-Qaida landen, meinte Washington und setzte al-Barakaat auf die OFAC-Sanktionsliste ("Office of Foreign Assets Control") des US-Finanzministeriums. Anfang November 2001 wanderte diese Liste mit 62 Namen von Organisationen und Personen, gegen die wegen Verdachts der Terrorfinanzierung wirtschaftliche Sanktionen verhängt werden sollten, vom Weißen Haus zum Sanktionskomitee des UN-Sicherheitsrats.

Am 12. November 2001 wurde sie von der EU-Kommission als Verordnung 2199/2001 verkündet. Diese Terror- oder Sanktionsliste umzusetzen sind alle Mitgliedsstaaten der EU verpflichtet. Irgendeine gerichtliche Kontrolle oder ein Rechtsschutz für Personen oder Organisationen, um sich gegen die Einordnung als Terrorfinanzier zu wehren, ist nicht vorgesehen.

Für die Betreiber von Barakaat International in Stockholm hatte die Abstemplung als Terrorhelfer tiefgreifende persönliche Folgen. Ihre Privatkonten wurden beschlagnahmt, kein Arbeitgeber durfte sie anstellen, weil ihnen kein Lohn gezahlt werden durfte, und die Behörden stoppten sogar die Auszahlung von Sozialhilfe. Die drei Barakaat-Vorstandsmitglieder mussten von Spenden leben.

Die schwedischen Behörden erhielten aus Washington Unterlagen mit angeblichen "Beweisen", die ein Staatsanwalt öffentlich als "lächerlich" bezeichnete. Aufgrund der EU-Verordnung waren Stockholm die Hände gebunden. Zumal das EU-Gericht in Luxemburg 2005 die kafkaeske Rechtslage bestätigte: Die Entscheidung des Sicherheitsrats sei gegen jede gerichtliche Überprüfung immun. Im September 2008 erklärte der zweitinstanzliche Europäische Gerichtshof wegen des fehlenden Rechtsschutzes die EU-Terrorverordnung bezüglich der schwedischen Barakaat-Betreiber für nichtig.

Nach acht Jahren unbegründeter Anklagen habe das Recht gesiegt, freut sich Barakaat-Anwalt Thomas Olsson. Er will gerichtliche Schadenersatzansprüche prüfen. Und laut Per Saland vom schwedischen Außenministerium will der EU-Ministerrat "geänderte Prozeduren" im Zusammenhang mit der Terrorliste beschließen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.