Antifaschismus in Runenschrift

KONTROVERSES KONZERT Was darf Punk? Im Kreuzberger Szeneladen Clash soll am Freitag die nordrhein-westfälische Band „SS-kaliert“ auftreten. Die Band hat ein linkes Selbstverständnis und provoziert mit Schriftzügen, die an die Siegrunen der Nazis erinnern

Das Clash ist einer der bekanntesten Orte der Kreuzberger Punkszene. Seit neun Jahren ist die Bar an der Stelle des legendären Kneipenkollektivs Ex im Mehringhof an der Gneisenaustraße. Linke Buchläden, eine alternative Schule, Wärmestube für Obdachlose, ein Theater – im Mehringhof ist Platz für alles Mögliche. Nur nicht für Nazis.

Trotzdem soll hier am kommenden Freitag eine Band auftreten, die an solche erinnert – und das mit voller Absicht: SS-kaliert nennt sich eine Punkband aus Nordrhein-Westfalen, die eine antifaschistische Haltung für sich reklamiert. Auf ihren Plakaten steht der Bandname gleichwohl über einem Totenkopf, die Anmutung ist der von Rechtsrockbands nachempfunden. Gesprochen werden soll der Name „es eskaliert“. Bis zu einem Gerichtsverfahren wegen der Verwendung von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen im Jahr 2009 ähnelte der Schriftzug fast exakt den sogenannten Siegrunen der NS-Schutzstaffel. Seither sind die beiden Buchstaben im Bandlogo ausgefranst, die ursprüngliche Form ist aber noch zu erkennen.

„SS-kaliert der Hass“

Die Combo hat einen gleichnamigen Song veröffentlicht, in dem der Name sich so einfügt: „Bullen rennen wie die Irren, Steine fliegen, Tränengas, die Bullen kriegen, SS-kaliert der Hass“. In den Texten von „SS-kaliert“ finden sich keine Hinweise auf eine rechte Gesinnung. Ihr Verständnis von Antifa besteht aber offenbar vor allem darin, den „ ‚Abmarsch ins KZ‘ für NPD, DVU, Republikaner und das Pack“ zu fordern.

Bis vor einiger Zeit waren die Punks bei der Duisburger Plattenfirma People like You Records unter Vertrag. Gekündigt wurde der Vertrag allerdings nicht wegen des Namens, heißt es. „Der Name ist nur eine Provokation,“ sagt der zuständige Mitarbeiter der Plattenfirma. Telefonischen Kontakt zur Band herstellen konnte das Label nicht.

Nazi-Symbole und Antifa-Sound – geht das zusammen? „Diese Art der Provokation gefällt mir nicht“, sagt Markus Tervooren vom Berliner Verband der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA). Auch wenn die Band versuche, sich in eine rebellischen Tradition des Punk zu stellen, müsse sie „sich natürlich schon überlegen, dass so etwas Überlebende des Nazi-Regimes beleidigen kann“.

Auch bei der Berliner Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) ist man nicht angetan. „Wir fordern die Leute immer dazu auf, Nazi-Schmierereien wie SS-Runen zur Anzeige zu bringen. Die sollen das melden, damit das weggemacht wird“, sagt Matthias Müller. „Das wird durch eine solche Verwendung dieser Symbole natürlich konterkariert.“

Nazisymbolik im Punk

Dem Clash gefällt der Name auch nicht. „Wir haben keinerlei Interesse an irgendwelchen rechtsgerichteten Sachen“, sagt die Programmverantwortliche. Man habe sich dennoch dafür entschieden, die Band auftreten zu lassen, weil man von deren antifaschistischer Haltung überzeugt sei. „Wenn sie etwa irgendwo spielen, lassen sie sich immer vorher die Liste der anderen Bands geben, um auszuschließen, dass da welche dabei sind, die politisch in einer Grauzone liegen.“ Man könne durchaus darüber diskutieren, ob eine solche Provokation nötig und gelungen sei.

Ganz ungewöhnlich sind Spielereien mit Nazi-Symbolen im Punk nicht. Seit 1991 etwa gibt es eine Schweriner Punkband namens Volxsturm. Auch die bekannteren OHL („Oberste Heeresleitung“) wollten mit Nazis nichts zu tun haben, ihre Alben aber hießen „Heimatfront“ oder „Blitzkrieg“. CHRISTIAN JAKOB