„Nach dem 40.000. Loch ist Schluss“

WISSENSCHAFT Der kanadische Geowissenschaftler David Hughes glaubt, dass der Fracking-Boom bald wieder vorbei ist

■ 62 Jahre, ist Geowissenschaftler am Postcarbon Institute in Vancouver. Er forscht seit fast vierzig Jahren zu Energieressourcen und Nachhaltigkeit in Kanada

taz: Herr Hughes, in den USA steigt die Förderung von Öl und Gas aufgrund des Frackings stark an. Stehen wir vor einem neuen Boom, getrieben von fossilen Energieträgern?

David Hughes: Meine Interpretation ist, dass es sich um einen kurzfristigen Aufschwung handelt, ein Bonanza, das fünf bis zehn Jahre andauert. Von den 70er Jahren bis 2008 ist die Öl- und Gasproduktion in den USA zurückgegangen. Jetzt hat sich der Wind gedreht, aber nur für kurze Zeit.

Wie kommen Sie darauf?

Ich habe mir die fünf wichtigsten Frackingfelder in den USA angeschaut. In den Bohrlöchern nimmt die Förderung in den ersten drei Jahren im Schnitt um 84 Prozent ab. Das heißt, man muss ständig neu bohren, um die Produktion aufrechtzuerhalten. Das Problem ist: Die Unternehmen beuten erst die guten Stellen aus. Wenn sie dort die maximale Anzahl Löcher haben, dann müssen sie zu den Stellen mit minderer Qualität weiter. Dafür brauchen sie noch mehr Löcher. Jede Bohrung kostet 9 Millionen Dollar.

Irgendwann lohnt sich die Sache nicht mehr?

Lukrativ sind Stellen, wo sich gleichzeitig Öl und Gas fördern lassen. Die Felder verhalten sich aber immer gleich, der Ertrag nimmt schnell ab. Nehmen Sie das Feld Eagle Ford in Texas. Das zeigt, wie abhängig sie davon sind, genug Land zu haben. Das Feld ist 8.000 Quadratmeilen groß [etwa so groß wie Hessen, Anm. der Red.], die Sweet Spots, also die besonders guten Stellen, sind bereits alle angezapft, das waren 7.000 Bohrungen. Selbst wenn sie die Förderrate erhöhen, haben sie im Jahr 2017 ein Produktionsmaximum, im Jahr 2023 bohren sie das 40.000. Loch und dann ist Schluss.

Ist das charakteristisch für Fracking?

Ja. Es läuft bei allen Feldern so, in denen wir bisher fördern. Das ist der Lebenszyklus. Die Ölproduktion in den USA wird weiter ansteigen, keine Frage, aber wahrscheinlich in zehn Jahren wieder auf das heutige Level sinken.

Beim Schiefergas sieht das staatliche US-Amt für Energiestatistik, EIA, einen Boom bis ins Jahr 2040. Es kann doch nicht sein, dass die einfach die Augen zumachen und Blödsinn erzählen.

Auch die EIA glaubt mittlerweile, dass die US-Ölproduktion ab dem Jahr 2019 wieder sinkt. Und von den fünf großen Schiefergas-Lagerstätten haben drei ihr Fördermaximum überschritten. Ich habe einfach nur offiziell zugängliche Daten County für County analysiert, und das ist das Ergebnis.

Warum glaubt dann alle Welt an einen Schiefergas-Boom?

Wenn man ein Diagramm sieht, auf dem die Produktion nach oben zeigt, dann überträgt man das gern in die Zukunft. Wie viele lukrative Felder wie Bakkon in North Dakota oder das Eagle Ford werden noch gefunden? Das ist die große Frage. Die Industrie ist gut, die suchen intensiv. Aber ich glaube, solche Felder sind ziemlich einmalig. Ganz davon abgesehen: Je geringer der Ertrag ist, desto mehr müssen sie bohren, und desto schlimmer sind die Umweltauswirkungen.

Was ist denn mit Fracking in anderen Teilen der Welt?

Schiefergas wird global gefördert werden, doch dauert es noch Jahre, bis die Infrastruktur so weit ist. Ihr in Europa habt ohnehin eine viel zu dichte Bevölkerung. Ich halte Schiefergas für eine kurze Atempause, die uns nicht davon abhalten darf, Alternativen ohne fossile Rohstoffe zu finden. INTERVIEW: INGO ARZT