Rotlichtgrößen im Regen

PROSTITUTION In der Potsdamer Straße soll ein Großbordell entstehen. Anwohner, Bezirk und Senat sind dagegen. Das Verwaltungsgericht hat sich vor Ort umgesehen

„Wenn es so weit kommt, ziehe ich weg“

ANWOHNER AUS SCHÖNEBERG

VON PLUTONIA PLARRE

„Love, Sex, Dreams“ verspricht die Leuchtschrift in blauvioletten Farben. Zu sehen ist sie an der Fassade eines siebenstöckigen Hauses an der Potsdamer Ecke Kurfürstenstraße. Noch befindet sich in dem Gebäude nur ein Sexkaufhaus, das mit Utensilien zur Lustbefriedigung handelt. Körperlichen Sex gibt es in dem Gebäude nicht – offiziell zumindest. Dass die Prostituierten vom Straßenstrich zusammen mit ihren Freiern in die Videokabinen des LSD gehen, steht auf einem anderen Blatt.

Aber schon bald könnte Sex in dem früheren Fotokaufhaus Wegert auch offiziell gehandelt werden. So zumindest möchte es Ismail Karaca, Inhaber einer Tabledance-Bar. Der gebürtige Türke, laut eigenen Angaben seit 39 Jahren in Berlin lebt, will in den fünf oberen Stockwerken des Gebäudes ein sogenanntes Laufhaus mit 48 Zimmern betreiben. Ein Großbordell also, in dem Prostituierte Zimmer anmieten und bei geöffneter Tür auf Freier warten. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung haben den Antrag abgelehnt, weil sie befürchten, dass die ohnehin angespannte Situation im Kiez durch ein Laufhaus noch mehr angeheizt würde. Es handelt sich hier um ein Kerngebiet mit Wohnbebauung. Karaca hat gegen diese Entscheidung geklagt. Seine Anwälte sind der Meinung, dass das Laufhaus eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte sei und die Interessen der Wohnbevölkerung zurückstehen müssten.

Seit Mittwoch beschäftigt der Fall das Verwaltungsgericht. Am Vormittag machten die Richterinnen und Richter der 19. Kammer eine Ortsbesichtung. Am Nachmittag wurde die Verhandlung im Verwaltungsgericht fortgesetzt. Vernommen wurde dort der polizeiliche Präventionsbeauftragte des zuständigen Abschnitts, Henry Maiwald, zu der Frage, was ein Großbordell für Auswirkungen auf den Kiez hätte. Straßenprostitution existiere in der Potsdamer, Bülow- und Kurfürstenstraße sowie den angrenzenden Seitenstraßen seit Jahrzenten, sagte Maiwald. Aber seit der Grenzöffnung nach Osteuropa hätten sich die Probleme durch den Zulauf von Prostituierten aus Ungarn, Rumänien und Bulgarien verschärft. Die Werbung um Freier sei aggressiver geworden. „Jedes männliche Wesen wird als potenzieller Freier wahrgenommen und dementsprechend angesprochen und angefasst.“

Ein Großbordell würde noch mehr an Prostitution bringen und die Situation im Kiez anheizen, beschrieb Maiwald die Sorge der Anwohner. Auch wenn diese gar nicht unmittelbar von der Kriminalität im Rotlichtmilieu tangiert seien, hätten sie subjektiv Angst um ihr Sicherheitsgefühl. In Gesprächen höre er immer wieder: „Wenn es so weit kommt, ziehe ich weg.“ Der Wegzug von sozial Stärkeren wäre für den wackeligen Kiez ein Schritt rückwärts, befürchtet der Präventionsbeauftragte.

Die Interessen, die Tabeldance-Betreiber Karaca verfolgt, sind undurchsichtig. Prozessbeobachter fragten sich, ob er möglicherweise nur ein Strohmann ist. Auffällig war, dass sich Karaca bei dem Ortstermin weit ab von der Gruppe der Richter aufhielt und bei Nachfrage von Journalisten wenig Sachkunde aufwies. Ganz anders Sven Hurum. Hurum ist Miteigentümer des Eckhauses und Gründungsgesellschafter der „Vize GmbH“, die das Sexkaufhaus LSD betreibt. Außerdem ist Hurum Gründungsgesellschafter der „Venus Internationalen Erotikmesse Berlin GmbH“. Hurum war es, der bei dem Ortstermin ausgesprochen gut informiert wirkte, wenn das Gericht Fragen hatte.

Eine Entscheidung des Gerichts steht noch aus.