Kreuzchen bei den alten Herren

Die von der CDU beschlossenen Änderungen am Wahlrecht sorgen für eine heftige Debatte in der Bürgerschaft

Eine verbale Breitseite nach der anderen feuerte Farid Müller ab. „Ein Sofortprogramm für Politikverdrossenheit“ warf der Verfassungsexperte der GAL gestern in der Bürgerschaft der CDU vor. Deren geplante Änderungen seien „ein erlaubter Putsch“, ereiferte er sich, „ein rechtmäßiger Verfassungsbruch“ sogar. Die Union habe die Mehrheit für Änderungen, „aber nicht die Legitimation dafür“.

Die am Montag von der CDU-Fraktion beschlossenen „Modifikationen“, wie deren Verfassungspolitiker Kai Voet van Vormizeele sie nennt, sorgten gestern für eine heftige Debatte mit mehreren Ordnungsrufen und gegenseitigen Beleidigungsvorwürfen. In der Frage, wie in Hamburg das Parlament gewählt werden soll, bestehen tiefe Gräben zwischen CDU und rot-grüner Opposition.

Ihre Partei sei von dem Wahlrecht, das durch einen Volksentscheid vor zwei Jahren eingeführt wurde, zwar „nicht begeistert“, räumte Barbara Duden (SPD) ein. Die WählerInnen aber hätten entschieden, dass sie Wahlkreise und Auswahlmöglichkeiten unter den Kandidaten wollen, „also haben wir das zu akzeptieren“. Die Union aber wolle „den Willen des Volkes aushöhlen“.

Vormizeele verteidigte das Vorhaben mit der „Verantwortung für Hamburg“. Das Volkswahlrecht sei „zu kompliziert“ und könne dazu führen, dass „keine klare Richtungsentscheidung für eine Partei“ zustande komme. Deshalb dürften die WählerInnen an der Urne nur eine Stimme für die Parteilisten haben statt fünf.

Gemeint sei wohl eine Stimme für männliche Christdemokraten, vermutete Till Steffen (GAL), da die Listen der CDU traditionell unter Frauenmangel litten. Deren „alte Herren“ befürchteten unerwünschte Kreuzchen bei Frauen, wenn vor allem Wählerinnen freie Auswahl unter den KandidatInnen hätten.

Der Volksentscheid sei letzlich von „nur 21 Prozent“ der Wahlberechtigten durchgesetzt worden, entgegnete CDU-Fraktionschef Bernd Reinert. Da habe die Mehrheit der Bürgerschaft, die immerhin von 69 Prozent gewählt worden sei, das Recht zu Änderungen.

Der Senat habe schon die Landeskrankenhäuser gegen das ausdrückliche Votum eines Volksentscheides verkauft, erinnerte GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch. Jetzt solle das Wahlrecht ausgehebelt werden. „Sie sind“, warf Goetsch der CDU-Mehrheit vor, „Intensivtäter in Sachen Machtmissbrauch.“

SVEN-MICHAEL VEIT