nicht käuflich
: Auf dicke Hose machen

Eigentlich sollte wenigstens diese Kolumne weltmeisterschaftsfrei bleiben. Leider ist mir aber kürzlich der Kragen geplatzt. Was ist passiert? Die Anwaltskanzlei Baker & McKenzie aus Frankfurt am Main verschickt derzeit an deutsche Internetunternehmen einen Brief. Die Sozietät schreibt darin, dass sie die „infront sports and media Gruppe“ vertritt, die über „alle Verwertungsrechte bezüglich elektronischer Medien“ bei der FIFA Weltmeisterschaft 2006 verfügt. Und jetzt kommt‘s: Die Kanzlei weist die angeschriebenen Unternehmen darauf hin, dass jede mögliche Urheberrechtsverletzung von den betroffenen Unternehmen unverzüglich zu entfernen ist, „schon um zu verhindern, selbst (...) in die Haftung genommen zu werden“. So meldet es der Internetdienst www.intern.de.

Auch forderten die Frankfurter Rechtsvertreter, dass die Internetunternehmen ihnen dabei behilflich sind, Rechteverletzer zu identifizieren. Offenbar bemüht sich die Kanzlei mit dem Anschreiben darum, die Rechtslage so auszulegen, dass jede bildliche Darstellung der FIFA WM 2006 rechtswidrig ist. So etwas nennt man das Verbreiten von FUD – „Fear, Uncertainty and Doubt“. Auf deutsch: Furcht, Ungewissheit und Zweifel.

Dass eine Anwaltskanzlei aktiv wird, ohne dass es eine Rechteverletzung gegeben hat, ist ja schon ein starkes Stück. Aber hier hat das Ereignis noch gar nicht stattgefunden. Fans sollen vorauseilend davon abgehalten werden, auf ihren privaten Homepages Fotos von Veranstaltungen zu verbreiten. Aber wieso braucht der FIFA-Geschäftspartner ‚infront‘ dazu überhaupt die Hilfe der Internetunternehmen, um die Menschen zu identifizieren? Ich dachte, der Weltfußballverband hätte bei der Kartenvergabe alle sensiblen Daten der Käufer gesammelt, dass eh klar ist, wer im Stadion für das Online-Fotoalbum seine Bilder knipst.

Aber vielleicht geht es um etwas ganz anderes: Seit einiger Zeit ist es nämlich möglich, im Internet Fußballspiele live anzusehen, ohne ein Bezahlfernsehen zu abonnieren, weil auch Medien in fernen Ländern das Recht zur elektronischen Verbreitung von Fußball haben – auch über das Internet. So kann man also über manche Internet-Verbindung nach Asien etwa europäische Fußball-Champions-League sehen, ohne dafür zu zahlen. Velleicht zielen Baker & McKenzie und infront also darauf: Die Nutzer dieser Rechtslücke verunsichern.

Das allerwahrscheinlichste Brief-Motiv ist aber, dass es wie immer im Fußball darum geht, einen auf dicke Hose zu machen. Denn schließlich führt infront auch ihren Chefmanager Günther Netzer als „ARD‘s best known football commentator“. Und dass der bekannteste Mitarbeiter von infront sein eigenes Produkt in der ARD rundherum schön reden darf, dürfte Baker & McKenzie auch ganz gut gefallen. Gut für die ARD, dass sie deshalb wohl „nicht in die Haftung genommen werden kann“ – schade für die Veranstaltung. Die Welt zu Gast bei Amigos. ELMAR KOK