Tod nach Gentherapie

Zwei Jahre nach einer gentherapeutischen Studie in Frankfurt ist der Patient plötzlich gestorben. Jetzt wird darüber spekuliert, ob die Gentherapie der Auslöser war. Die Studie wurde gestoppt, vorerst werden keine weiteren Patienten mehr behandelt

Nachdem die Gene übertragen wurden, besserte sich der Gesundheitszustand

VON WOLFGANG LÖHR

Die Gentherapeuten haben erneut einen schweren Rückschlag zu verkraften. Zwei Jahre nachdem ein 26-jähriger Patient in Frankfurt am Main mit einer Gentherapie behandelt wurde, ist er an einem Darmdurchbruch und einer Blutvergiftung gestorben. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass es einen Zusammenhang mit der Gentherapie gibt“, sagte Professor Dieter Hoelzer, der an der Frankfurter Uniklinik die Gentherapiestudie leitet. Eine Bewertung wird erst nach weitergehenden Untersuchungen möglich sein. Die gentherapeutische Studie wurde jetzt erst einmal abgebrochen.

Anfang April noch wurden die Frankfurter Versuche als „Durchbruch“ gefeiert. Weltweit sei es erstmals gelungen, erwachsene Patienten mit einer Gentherapie erfolgreich zu behandeln, hieß es seinerzeit. Insgesamt bei drei an einer sehr seltenen, lebensbedrohenden Immunschwäche leidenden Patienten, der so genannten chronischen Granulomatose, hatten die Forscher versucht, einen Genfehler durch die Übertragung eines intakten Gens zu beheben. Zwei der Patienten wurden in Frankfurt behandelt. Ein weiterer Versuch mit einem fünfjährigen schwer erkrankten Jungen wurde am Universitätskinderhospital Zürich durchgeführt.

Bei der chronischen Granulomatose können die zum Immunsystem gehörenden Makrophagen aufgrund eines fehlenden Eiweißes nicht mehr gegen Bakterien und Pilze vorgehen. Die Patienten sind den Mikroorganismen hilflos ausgeliefert. Nachdem den Patienten die intakten Gene übertragen wurden, besserte sich bei allen drei der Gesundheitszustand. Die Ergebnisse waren so erfolgreich, dass noch in diesem Jahr weitere Patienten mit dem neuen Verfahren behandelt werden sollten.

Als Todesursache kommen mehrere Möglichkeiten in Betracht. So weist die behandelnde Ärztin des Patienten, Marion Ott, darauf hin, dass ein Darmdurchbruch generell lebensgefährlich sei. Es könnte sich letztendlich auch herausstellen, dass der Tod des Patienten nicht mit der Gentherapie im Zusammenhang stehe. Möglich ist auch, dass die Wirkung der Gentherapie mit der Zeit nachgelassen hat und die Makrophagen eindringende Keime nicht mehr in Schach halten konnten.

In der Diskussion als Todesursache sind aber die transferierten Gensequenzen selbst. So könnte die übertragene DNA – das heißt: das neue Gen sowie der als Fähre genutzte Retrovirus – für den Tod verantwortlich sein. Beispiele für eine derartige Wirkung gibt es bereits aus anderen gentherapeutischen Studien. Vor vier Jahren musste in Paris eine Gentherapiestudie abgebrochen werden, nachdem drei von elf behandelten Kindern an Leukämie erkrankten. Die Kinder hatten eine schwere angeborene Immunschwäche, X-SCID genannt. Um sie vor lebensbedrohlichen Infektionen zu schützen, mussten sie in einer keimfreien Umgebung leben.

Lange Zeit wurde darüber spekuliert, warum mehrere der Kinder an Blutkrebs erkrankten. Erst vergangene Woche veröffentlichte ein US-deutsches Forscherteam Ergebnisse aus Tierversuchen, bei denen sie das gleiche Genkonstrukt verwendeten wie seinerzeit die Forscher in Paris. Ein Drittel ihrer Versuchsmäuse erkrankten ebenfalls an Leukämie.

Die Forscher gehen davon aus, dass das transferierte Gen selbst der Krebsauslöser ist. Bevor die Pariser Kinderstudie begann, hatten die Forscher dort zwar auch Tierversuche durchgeführt, die Tierstudie dauert aber nur sechs Monate. Die Leukämie bei den Mäusen trat aber erst nach zehn Monaten auf.