Mehrwert durch Zeitlosigkeit

HEFT Das Architekturmagazin „Arch+“ erfindet sich immer wieder neu: mal Monografie, mal Katalog

„Arch+“ begegnet der Printkrise mit Print statt mit Volksrasenmähern

Publizistisch bemerkenswert ist die aktuelle Ausgabe der renommierten Architekturzeitschrift Arch+. Wieder mal. Einerseits funktioniert das Themenheft „Think Global, Build Social“ als reguläre Ausgabe des vierteljährlich erscheinenden Blattes, andererseits völlig losgelöst davon als Ausstellungskatalog und Arbeitsbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum sowie im Architekturzentrum Wien.

Dies ist nur das jüngste Beispiel für die Anpassung der Zeitschrift an eine veränderte Medienlandschaft. Seit Mitte der nuller Jahre gibt man bei Arch+ stetig das Profil einer klassischen Fachzeitschrift auf, ohne die inhaltliche Arbeit zu vernachlässigen. Mag Oberspringer Mathias Döpfner mit dem Selbstbewusstsein des Agendasetters die baldige Querfinanzierung journalistischer Arbeit prognostizieren – „Das frühere Randgeschäft wird das Kerngeschäft“ –, hier wird eine alternative Route aus der Printkrise gesucht.

Ausstellungen, Publikationen, Diskussionsveranstaltungen, Wettbewerbe – all diese Felder bespielt Arch+ inzwischen. Allerdings gehen diese Nebentätigkeiten immer direkt im Heft auf oder aus diesem hervor. „Zeitschriften haben das Monopol als Informationsquelle verloren“, sagt Redaktionsmitglied Anh-Linh Ngo: „Dadurch verändert sich auch die Funktion von Zeitschriften radikal: Wir müssen viel aktiver handeln und als Plattform agieren, als Ermöglicher von Diskursen und Agenten des Wandels.“

Die Chance zur Neuerfindung bekam Arch+ ab 2002 mit dem Initiativprojekt „Schrumpfende Städte“ der Kulturstiftung des Bundes. Die Zeitschrift dockte mit einem internationalen Ideenwettbewerb zum Thema (der später eine ganze Ausgabe füllen sollte) bei der Initiative an. Eine Ausstellung zum Projekt tourte danach vier Jahre um die Welt. Auch zum Themenheft „Post-Oil City“ wurde zusammen mit dem Institut für Auslandsbeziehungen eine Wanderausstellung auf die Beine gestellt, die noch immer weltweit gezeigt wird. Schon dort zeigte sich deutlich der Trend zur Aufweichung des Konzepts Zeitschrift als Periodikum zeitnaher Information. Ähnlich verhält es sich mit den Stadtheften „London“, „São Paulo“ und „Istanbul“. Diese entstanden als Impulsgeber und Diskussionsgrundlagen im Rahmen einer Konferenzreihe.

Der Abonnent hat nach wie vor regelmäßig sein Themenheft im Briefkasten. Trotzdem erfahren die Hefte insofern eine Umkodierung, als sie per Mehrfachnutzung eben Kataloge oder Konferenzbände sind. Besonders tief greifend ist diese Metamorphose in jenen Heften, die den Schriften einzelner Architekten wie Bruno Taut, O. M. Ungers oder kürzlich Julius Posener gewidmet sind. Denn diese Hefte sind nichts anderes als leicht kommentierte Monografien. Sie funktionieren auch ohne Aktualität. „Mit all diesen Projekten wollen wir Arch+ nicht nur inhaltlich stärken,“ sagt Ngo, „sondern auch Schutzwälle um die Zeitschrift ziehen. Das sind immer auch Versuche, über Projekte die Hefte zu finanzieren.“

Nicht nur öffnen sich der Zeitschrift so neue Verdienstfelder. Vor allem begegnet Arch+ der Krise mit Print statt mit Volksrasenmähern. MORITZ SCHEPER