Selbstbewusst und sehr genau mit sich

Die Macher im Off (3): Jutta Harms ist Comic-Aficionada, und sie hat aus der Leidenschaft einen Beruf gemacht. Als Ausstellungsmacherin und freie Presseagentin von Comic-Verlagen macht sie sich für die Sache des Comics stark

Sie ist jetzt seit rund zehn Jahren in Berlin. Damit ist Jutta Harms gerade noch rechtzeitig hergekommen, bevor alle großen Kuchenstücke im Berliner Subkulturbetrieb vergeben waren. Vor zehn Jahren war es noch möglich, sich in eines der runtergekommenen Häuser zu stellen und zu rufen: Hier bin ich! Doch die Hamburgerin Harms, die auch schon Hausbesetzerin und Anwaltsgehilfin war, wäre wohl selbst dann zurechtgekommen, wenn sie ein paar Jahre später gekommen wäre. Denn sie ist eine Tausendsassa.

An diesem Frühlingstag macht im Haus Schwarzenberg am Hackeschen Markt ein Presslufthammer Lärm. Das Büro des Schwarzenberg e.V., in dem die leicht übermüdete Jutta Harms zum Interview empfängt, ist selbstverständlich unaufgeräumt. Harms arbeitet in diesem Büro zurzeit aber sowieso selten – obwohl sie zum Vorstand des Schwarzenberg e.V. gehört –, weil sie andere Jobs hat. Doch gehört sie zum Haus. Hier hat sie die Ausstellung „Horsing around – Auf der Fährte des Cowboys in Europa“ kuratiert und die von Katja Lüthge kuratierte Ausstellung „Mit Supermann fing alles an – Jüdische Künstler prägen den Comic“ organisiert.

„Mir scheint, ich habe eine Vorliebe für richtig lange, komplizierte Titel“, lacht sie. Jutta Harms ist freundlich, doch nicht zu freundlich. Hamburg hat sie geprägt. Neben Kuratorenjobs macht sie Pressearbeit für Comicverlage, vor allem für den Verlag Reprodukt, den sie zwei Jahre lang zusammen mit einer Kollegin leitete. Als die Arbeit dort zu viel wurde und andere Projekte darunter litten, gab sie die Verlagsleitung wieder ab. Sie ist gern selbstständig. Sie hat Comic-Ausstellungen für das Goethe-Institut oder den Comic Salon Erlangen organisiert, sie begründete mit Kolleginnen und Kollegen den Berliner Comicgarten – eine sommerliche Comicmesse von nationaler Bedeutung –, sie hat Buchmesse-Auftritte geplant, aber im Dezember auch schon den eher durch Hobbykunst geprägten Kunstwinter in Oberschöneweide betreut. Zudem arbeitet sie, quasi nebenbei, als freie Lektorin und Übersetzerin. Momentan ist ihr vorrangiges Projekt die Manga-Abteilung beim Erlanger Comic Salon im Sommer. Um das alles auf die Reihe zu bekommen, muss man ein selbstbewusster Mensch sein – und sehr genau mit sich.

Das Geld reicht zum Leben. Doch wie das immer wieder klappt, darüber ist Jutta Harms selbst erstaunt. In die freie Kulturarbeit rutschte sie, als sie sich neben ihrer Tätigkeit im Rechtsanwaltsbüro immer stärker für den Reprodukt Verlag engagierte, bis beide Tätigkeiten irgendwann nicht mehr miteinander zu vereinbaren waren. Das war Mitte der 90er-Jahre. Harms musste sich entscheiden – und der passionierten Comicliebhaberin fiel die Entscheidung recht leicht. „Ich habe mir nie wirklich Sorgen um mein Auskommen gemacht“, meint sie. „Meine Jobs kommen über die Netzwerke und Kontakte, die sich im Laufe meiner Spezialistentätigkeit ergeben haben.“

Die Mittvierzigerin arbeitet gern, wenn sie weiß, dass sich die Arbeit „für die Sache“ lohnt. Die Sache, das sind die Comics. Zur Comic-Fachfrau wurde sie zunächst durch das Selbststudium, Hunderte von Comics hat sie gelesen, dann knüpfte sie Kontakte zu anderen Nerds, und daraus erwuchs schließlich der Kontakt zum Verlag. Für die Comics tut sie zurzeit nahezu alles, manchmal auch etwas – siehe Kunstwinter –, das eher gar nichts mit Comics zu tun hat. Es gilt zu überleben für das, was sie will. Deswegen beschwert sich Jutta Harms nicht über ihre 60-Stunden-Woche. Denn die erlaubt ihr, auch für Comic-Künstler und Verlage zu arbeiten, die sie liebt, die sie aber nicht gut bezahlen können.

„Jutta Harms ist super“, sagt „Tigerboy“-Zeichner Oliver Grajewski, „sie hat mich mit diversen anderen Zeichnern und Zeichnerinnen bekannt gemacht. Für mich war das der Eintritt in die Berliner Comicwelt. Ohne sie wäre der Schwellenübersprung gar nicht möglich gewesen.“ Ausdauernd setzt sich Jutta Harms auch für CX Huth ein, dessen Veröffentlichungen nicht unbedingt kommerziell erfolgreich sind. Wenn sie von solchen Projekten erzählt, geht sie richtig aus sich heraus: „Mich freut es einfach, wenn dabei ein gutes Buch herauskommt. Dieses großartige Gefühl bleibt auch, wenn es kein Bestseller wird. Ich weiß, dass es gut ist.“ Wissen, was gut ist: Das sagt eine Expertin in einer Szene, die randständig und von Männern dominiert wird. Deswegen sagt sie dann auch noch, mit all ihrer Durchsetzungskraft: „Ich sehe mich nicht als Macherin im Off. Wo ich bin, ist nicht das Off.“

JÖRG SUNDERMEIER