Dreiklang im Visier

Hamburgs Verfassungsschutz hat seine Augen überall – auf Linken, Rechten und Islamisten, beteuern Innensenator Nagel und Amtsleiter Vahldieck. Konkrete Gefahren erblicken sie allerdings nicht

„Vom islamistischen Terrorismus geht nach wie vor die größte Gefahr aus“

Von Sven-Michael Veit

Linke, Rechte, Ausländer: „Das ist unser Dreiklang“, sagt Heino Vahldieck (CDU), Chef des Hamburger Verfassungsschutzamtes. „Wir haben alles genau im Visier“, versichert der parteilose Innensenator Udo Nagel. Der Feinde von Verfassung, Sicherheit und Ordnung gebe es reichlich.

Sonderlich aktiv allerdings sind sie offenbar nicht: „Hinweise auf eine konkrete Gefährdungssituation durch extremistische Gewalttäter liegen derzeit für Hamburg nicht vor“, ist das Fazit des Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 2005, den Nagel und Vahldieck gestern präsentierten. Selbst im Hinblick auf die Fußball-WM im Juni könne er, versichert der Senator „ruhig schlafen“.

Beispiel Ausländerextremismus: 3.265 Verdächtige gebe es in Hamburg, gut 200 mehr als im Jahr davor. Der Anstieg aber liege „in vertieften Erkenntnissen begründet – die Verfassungsschützer haben schlicht genauer gezählt. In erster Linie handele es sich um „Islamisten“, darunter 170 „gewaltbereite“ und 15, denen Straftaten auch tatsächlich „zugetraut werden“. Registriert wurden im vorigen Jahr 20 Fälle extremistischer Kriminalität (plus acht), „hiervon zwölf Gewaltdelikte“. Ein Grund zur Schlafmützigkeit sei das nicht: „Die Beobachtung und Bekämpfung des islamistischen Terrorismus, von dem nach wie vor die größte Gefahr ausgeht, ist und bleibt Schwerpunkt der Arbeit“, versichern Nagel und Vahldieck.

Beispiel Rechtsextremismus: 550 braune Gestalten und damit 20 mehr als im Jahr 2004 sind aktenkundig, ebenso 285 rechtsextremistische Straftaten (plus 112), „hiervon 20 Gewaltdelikte“. Anlass zur Sorge sei die leichte Zunahme bei gewaltbereiten Skinheads von 140 auf 150 binnen eines Jahres. Der größte Teil der Straftaten habe aus Volksverhetzung und „Propagandadelikten“ bestanden. 2005 war ein Wahljahr, erinnert Vahldieck, da liefen schon mal welche „mit einer Hakenkreuzfahne herum“.

Aufgefallen ist den Verfassungsschützern der Mitgliederzuwachs bei der NPD von 95 auf 150. Mit einer „Volksfrontbewegung“ versuche diese, aus einem „Verein alter Herren“ zum Sammelbecken auch von Neonazis und Skinheads zu werden. Dieser Kurs aber sei „nicht gefestigt“.

Beispiel Linksextremismus: 1.480 Linksextremisten und Autonome seien im vorigen Jahr gezählt worden, 20 weniger als 2004. Zuzuordnen seien ihnen 32 Straftaten (plus neun), „hiervon 19 Gewaltdelikte“. Ursächlich dafür seien einerseits die Proteste gegen den Hotelbau im Schanzenpark, die allerdings anfänglich „noch mehrheitlich von Anwohnern getragen“ worden seien. Der zweite Grund sind zahlreiche Proteste der Antifa im Wahljahr gegen Auftritte und InfoStände von NPD und Neonazis. Da seien sich die beiden Lager „häufiger in die Haare geraten“, berichtet Vahldieck, „und dann zeigen die sich gegenseitig an“.

Fast ein Viertel der „Linksextremisten“ stellen übrigens die 390 Mitglieder der Linkspartei.PDS, die in Hamburg „wegen der politischen Ausrichtung des Landesverbandes“ unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Dessen brisante Erkenntnisse: Bei der Bundestagswahl im September 2005 habe die Linkspartei „mit 6,3 Prozent ihren Stimmenanteil in Hamburg verdreifachen“ können. Zurückzuführen sei dies „weitgehend auf eine Protesthaltung gegen die Sozialgesetze“.

Offenbar lesen die 140 Hamburger Verfassungsschützer aufmerksam Zeitungen.