Termin ohne Güte

Der „Tagesspiegel“ und sein Ex-Redakteur Jost Müller-Neuhof können sich nicht einigen, jetzt wird prozessiert

Der Richter gab sich redlich Mühe, doch es half nichts: Zwischen Jost Müller-Neuhof und seinen ehemaligen Arbeitgebern vom Berliner Tagesspiegel war keine Einigung zu erzielen, der für Mittwoch angesetzte Gütetermin vor dem Landesarbeitsgericht blieb ergebnislos. Nun wird es zum Prozess kommen, der voraussichtlich Ende Mai beginnt.

Im Januar hatte Müller-Neuhof seine damaligen Kollegen aus der Medienredaktion per Mail darüber informiert, dass die Ex-Irak-Geisel Susanne Osthoff für den Grimme-Preis vorgeschlagen worden sei. Was in dieser Mail allerdings fehlte, war der Hinweis, dass Müller-Neuhof selbst der Nominierende war – das erfuhr Medien-Ressortchef Joachim Huber dann erst von den Grimme-Preis-Verantwortlichen, sicherte diese Information bei Müller-Neuhof ab und vermeldete sie schließlich als Exklusivnachricht des Tagesspiegels.

Als bekannt wurde, woher die Nominierung stammte, hagelte es Vorwürfe: Der Tagesspiegel wurde unter anderem als „Zeitung, die Aufmerksamkeit ertrickste“, (Focus) bezeichnet. In der Folge trat Huber als Ressortleiter zurück, blieb aber beim Tagesspiegel beschäftigt, Müller-Neuhof wurde entlassen.

Kollegen sahen Müller-Neuhof danach als „Bauernopfer“ (siehe taz vom 9. 2.), der Verein Berliner Journalisten forderte die Rücknahme der Entlassung – für Müller-Neuhof war der Gang vor Gericht ein logischer Schritt. Mit einer einfachen Abfindung will er sich allerdings nicht zufrieden geben. Der Vorwurf, er habe manipulieren wollen, müsse ausgeräumt werden, denn sonst sei Müller-Neuhof „tot für die Branche“, wie er betonte.

Die Umwandlung der Entlassung in eine Abmahnung bei Wiedereinstellung, was für Müller-Neuhof ebenfalls einer Schuldbefreiung gleichkommen würde – darauf wollte sich wiederum der Tagesspiegel nicht einlassen. Angesichts des giftigen Klimas zwischen den Kontrahenten mochte man sich diese Lösung auch kaum vorstellen.

So wurde es nichts mit einer gütlichen Einigung, es kommt zum Prozess. Dort wird neben der generellen Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Entlassung – auch angesichts der Weiterbeschäftigung von Joachim Huber – zu klären sein, inwieweit es sich bei der Mail des Anstoßes um ein Fehlverhalten gehandelt hat. Während es der Anwalt des Tagesspiegels als „Zufall“ bezeichnete, dass Huber von Müller-Neuhofs Rolle bei der Nominierung erfahren hat, sah Müller-Neuhof es als journalistische Selbstverständlichkeit, solchen Fragen nachzugehen. Außerdem habe er mit seiner Mail keinesfalls eine Meldung lancieren wollen. Von Interesse dürfte auch sein, ob Müller-Neuhof als Privatperson oder als Tagesspiegel-Redakteur gehandelt hat.MICHAEL BRAKE