Die Revolution der Räder

BEWEGUNG Die studentische Initiative Grüne Uni engagiert sich für Nachhaltigkeit in der Universität. Eines ihrer Vorzeigeprojekte sind die Bamboo-Bikes – Fahrräder aus nachwachsenden Rohstoffen

Thomas Finger erntet Fahrräder. Der Mann mit dem Pferdeschwanz ist Mitglied der Berliner Initiative Grüne Uni an der Technischen Universität – und seine Fahrräder sprießen aus dem Boden. Finger ist Konstrukteur des Bamboo-Bikes, eines Fahrrads, das hauptsächlich aus Bambus besteht.

Im Mai 2008 gründete der Studierende der Luft- und Raumfahrttechnik gemeinsam mit zwei anderen die Grüne Uni. Zu dritt wollten sie für mehr Nachhaltigkeit auf dem Campus kämpfen, dafür dass der Umgang mit dem Klimawandel an der Uni zum Alltag gehört und sich Studierende automatisch mit dem Thema auseinandersetzen müssen. „Unis sind der Dreh- und Angelpunkt für gesellschaftliche Wissensvermittlung“, erklärt Finger. „Dort werden all die Lehrer und Ingenieure geschult, die nachher bestimmen, was gelehrt oder gebaut wird.“ Deshalb müsse man auch auf dem Campus ansetzen, wenn man wirklich etwas verändern wolle.

Das Engagement der grünen Uni ist inzwischen sehr vielseitig, zu den drei GründerInnen sind viele neue Mitglieder dazugekommen. Angefangen mit einer Podiumsdiskussion zum Thema nachhaltige Uni gründeten die Aktivisten ein Umweltreferat im AStA, pflanzten Obstbäume auf dem Universitätsgelände und organisierten eine Ringvorlesung über Umweltthemen mit.

Das Vorzeigeprojekt aber bleibt das Bambusfahrrad. Finger hat eine kleine Werkstatt in einem Kultur- und Bildungszentrum in Weißensee. Stolz präsentiert er ein hellgrünes Bambusrohr, dann ein dickes gelbes. „Es gibt verschiedene Sorten, für verschiedene Räder“, erklärt der Studierende. Jeder könne sich sein Fahrrad selbst anbauen, denn: „Bambus wächst fast überall, selbst in Berlin“, sagt Finger. Bisher hat er aber Bambus aus Südhessen und Asien genommen, weil sein selbst angebautes noch trocknet.

Die Konstruktion der Räder habe sie viel Recherche gekostet, sagt er. Doch mittlerweile gebe es drei bis vier fahrende Exemplare. Richtig gebaut sind die Räder so stabil, dass sie ein normales Fahrrad ohne Probleme ersetzen können. Der Rahmen besteht aus drei möglichst dicken Bambusrohren, die mit Hanffasern zusammengebunden sind und dann zusätzlich mit Epoxidharz verklebt werden. Während man für die hintere Gabel etwas dünnere Bambusrohre nimmt, ist der Rest des Fahrrads aus alten Bestandteilen verschrotteter Räder gebaut. Deshalb sieht es auch rund um die Werkstatt der grünen Uni aus wie auf einem Fahrradfriedhof – quer übers Gelände verstreut liegen ausrangierte Gabeln, Räder und Lenker.

Das Ziel der Aktivisten ist es, ein Rad zu bauen, das zu mindestens 90 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen besteht. Die Speichen sollen dann durch sehr filigrane Rohre ersetzt werden, die Reifen könnten aus Kautschuk auf Löwenzahnbasis gemacht werden und das Epoxidharz soll langfristig durch ein Harz aus Pflanzenöl ersetzt werden. „So ein Rad ist natürlich eine coole Sache“, grinst Finger und gurkt mit einem noch etwas wackligen Exemplar über den Hof. „Die Federung ist bei Bambusrädern schon integriert“, ruft er lachend.

Eigentlich geht es den Leuten von der grünen Uni aber um mehr, nämlich um Promotion für nachwachsende Rohstoffe. Der Energieaufwand für Aluminium- oder Metallräder ist ihnen zu hoch, deshalb wollen sie selbst bei Fahrrädern nach umweltfreundlicheren Lösungen suchen. Das Bambusrad wird so zum Symbol für Nachhaltigkeit. „Bambus ist das perfekte Material“, sagt Finger, „wächst schnell, bindet dabei CO2, ist stabil und auch noch superleicht, weil Bambus ja ein Riesengras und damit hohl ist.“ Denn eigentliche gehe es ja gar nicht mehr darum, weniger CO2 auszustoßen. Dieser Punkt sei längst überschritten. „Wir müssen das Zeug aus der Atmosphäre zurückholen“, erklärt Finger. Die ersten Probeexemplare des Bamboo-Bikes haben sich bewährt, die Testfahrten sind ohne Unfälle oder Rahmenbrüche überstanden.

Ab Mai ist ein Workshop an der Technischen Universität geplant, bei dem das Bambusfahrrad wissenschaftlich weiterentwickelt werden soll. Teilnehmen können Studierende aller Berliner Hochschulen, der Workshop soll als Wahlfach angerechnet werden können. „Das wird Hightech“, sagt Finger, halb ernst, halb scherzend. Das Prinzip, Fahrräder aus Bambus zu bauen, habe nämlich Tradition, schon Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Bambusräder gebaut. Die Möglichkeiten der holzigen Drahtesel sind laut Finger aber noch längst nicht ausgereizt.

SEBASTIAN KEMPKENS

Im Netz: www.gruene-uni.org