Wenden, bürsten, waschen

KÄSE Er ist etwas Lebendiges und muss sich in Ruhe entwickeln können. Erst durch Zeit und Pflege reifen unverwechselbare Aromen heran. Davon gibt es in Berlin immer mehr

■ Maître Philippe & filles, Emser Str. 42, Wilmersdorf, Di.–Fr. 10–19, Sa. 10–14 Uhr, Tel. 88 68 36 10, www.maitrephilippe.de

■ Knippenbergs, Ludwigkirchstr. 11, Wilmersdorf, Mo.–Fr. 9–19, Sa. 9–15 Uhr, Tel. 88 47 26 48, auch auf diversen Wochenmärkten, www.knippenbergs.de

■ Peppi’s Käsekiste, Weichselstr. 65, Neukölln, Di.–Sa. 10–14, 16–20.30 Uhr, auch auf diversen Wochenmärkten, Tel. (01 76) 50 30 76 56, www.peppikaese.de

■ Menze Käse, Markthalle Neun, Eisenbahnstr. 42/43, Kreuzberg, Do., Fr., www.menze.at

■ Formaggino, Nassauische Straße 16 a, Wilmersdorf, Mo.–Fr. 8–18, Sa. 8–13 Uhr, Tel. 86 20 93 91, www.formaggino.de

■ La Käserie, Lychener Str. 6, Prenzlauer Berg, Mo.–Do. 11–21, Fr. 11–22, Sa. 10–22 Uhr, Tel. 30 34 72 34 00, www.lakaeserie.de, franz. Spezialitäten

■ Meierei, Kollwitzstr. 42, Prenzlauer Berg, Mo.–Fr. 8–19, Sa. 9–18, So. 10–18 Uhr, Tel. 92 12 95 73, www.meierei.net, alpenländische Küche

■ Ars Vini, Zionskirchstr. 69, Prenzlauer Berg, tägl. 17–24 Uhr, Tel. 30 60 94 86, www.arsvini.de, Fondue-Restaurant

VON MICHAEL PÖPPL

Es duftet nach ländlicher Kindheitserinnerung, ein Hauch von Stall liegt in der Luft, dazu eine Prise Stroh. Im Laden von Philippe Causse in Wilmersdorf ist die Luft von intensiven Aromen erfüllt. In den Vitrinen liegt herrlichster Käse aus Frankreich. Roquefort aus dem Languedoc, alter Comte vom Affineur Christan Janier aus Lyon oder Mimolette, eine nordfranzösische Spezialität, die im Sommer für Schlagzeilen sorgte, so Causse: Die Einfuhr in die USA wurde vom Zoll gestoppt, weil seine orangefarbene Rinde mikroskopisch kleine Milben enthält. Kenner wissen, dass gerade diese Kleinstlebewesen den fantastisch nussigen Geschmack dieser Spezialität erzeugen. Bei Maître Philippe gibt es oft spannende Geschichten zum jeweiligen Produkt zu hören. Seit über 35 Jahren lebt der Südfranzose in Berlin. Was er an seiner Heimat vermisste – neben gutem Rohmilchkäse auch französische Würste, feine Weine, bestes Olivenöl und Jahrgangssardinen – verkauft er seit 1994 in seinem Laden. Sterneköche wie Tim Raue oder Weinpapst Stuart Pigott schwören auf den Riecher des „Maître“, dessen Rohmilchprodukte bei keiner exklusiven Weinverkostung und in keinem gehobenen Restaurant fehlen durften.

„Käse ist etwas Lebendiges, er muss sich in Ruhe entwickeln können“, sagt Dan Zahareanu von La Crémerie in Charlottenburg. Er bezieht alle seine Rohmilchkäse direkt vom Affineur, der Großteil stammt von Philippe Alléosse aus Paris. In seinen Kellern lässt der Käseexperte verschiedenste Sorten bei jeweils idealen Temperaturen und passender Luftfeuchtigkeit reifen. Das ist aufwändiger als es klingt: „Hartkäse muss zum Beispiel regelmäßig gewendet, gebürstet und mit Salzwasser gewaschen werden“, sagt Zahareanu, der in seinem kleinen Laden bis zu 50 verschiedene Käsesorten verkauft. Neben traditionellen Weichkäsen wie dem Munster hat er auch sehr exklusive Comtés im Angebot, die mindestens 12 Monate, aber manchmal sogar 30 Monate im Keller reifen durften. Der Unterschied zu Kaufhauskäse, der meist nur sechs Monate Zeit bekommt, ist deutlich zu schmecken. Auch im Preis schlägt sich das nieder: 100 Gramm vom 18 Monate alten Comté kosten 4,50 Euro in der Crémerie. „Der hohe Aufwand und die Mehrarbeit rechtfertigen den Preis“, sagt Zahareanu.

Man findet in Berlin mehr und mehr spezialisierte Käseläden, auch die Käsestände auf Wochenmärkten sehen anders aus als noch vor ein paar Jahren. Es muss eben nicht immer der abgepackte Gouda aus dem Supermarktregal sein. Peppi’s Käsekiste auf dem Wochenmarkt am Neuköllner Herrfurthplatz ist am Samstag Anziehungspunkt für alte und neue Käsefans. Betreiber Georg Peppi verkauft unter anderem hervorragenden Bergkäse, der in österreichischen oder Schweizer Kleinbetrieben hergestellt wird, viele der Senner kennt er persönlich.

Die Wiese schmecken

Gerhard Menze bringt persönlich alle 14 Tage einen Transporter voller Käse aus dem Bregenzer Wald nach Berlin. Zu den Kunden des Händlers gehören österreichische Restaurants wie das Ottenthal und das Sissi oder Einzelhändler wie Bio-Lüske. Die Berg- und Hofkäse aus Menzes kleinem Sortiment stammen von kleinen Bauern, die ihre Milch noch selbst verarbeiten. Menzes Philosophie ist einfach: „Man muss die alte Kultur der Lebensmittelherstellung wiederentdecken. Das geht bei der artgerechten Haltung los. Im Winter wird zum Beispiel nur gefüttert, was von eigenen Wiesen kommt, und so der Kreislauf der Natur eingehalten.“ Die Bregenzer Bergrinder geben im Schnitt nur 16 bis 17 Liter Milch am Tag, gerade mal halb so viel wie eine im Stall gehaltene Turbokuh. Viele der Käser würden sogar biologisch produzieren, wollen sich aber nicht zertifizieren lassen, erzählt Menze, viele seien echte Typen. Senner „Natze“ von der Alpe Weißenbach kümmere sich um jede Kuh persönlich und würde sogar wie früher „den Stallmist mit dem Ross“ auf die Wiese bringen. Der Einsatz lohnt sich: Natzes Bergkäse, den Menze an seinem kürzlich geründeten Stand in der Kreuzberger Markthalle Neun verkauft, ist einer der besten, den man in Berlin bekommen kann. Man kann – ungelogen – schmecken, welche Kräuter auf der Alpe wachsen.

Nicht nur aus Frankreich und Österreich kommt guter Käse nach Berlin: Im italienischen Geschäft Formaggino in Wilmersdorf bekommt man süßlich-würzigen Bra aus dem Piemont oder intensiven Taleggio, einen Rotschmierkäse, den wahrscheinlich schon die alten Römer liebten. Bei Knippenbergs am Ludwigkirchplatz findet man auch Stilton, den intensiven englischen Blauschimmelkäse, Eifeler Chevrondelle aus Ziegenmilch oder extra alten Bauerngouda aus Holland – so intensiv, dass sich Supermarktgouda nur noch schamhaft in seiner Plastikhülle verstecken kann.