SHEILA MYSOREKARPOLITIK VON UNTEN
: Barack aus Bottrop

Dass es keine inspirierenden Politiker gibt, ist die Chance für alle afrodeutschen Zehnjährigen

In drei Wochen sind Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen. Ungeheuer spannend! Man kann sich kaum entscheiden zwischen all den interessanten und charismatischen Kandidaten. Ich könnte etwa Jürgen Rüttgers wählen, den amtierenden CDU-Ministerpräsidenten, ein Mann griffiger Konzepte wie „Kinder statt Inder“ (Landtagswahl 2000) oder der Behauptung, dass Rumänen arbeitsscheu seien (Bundestagswahl 2009). Allerdings braucht man Rüttgers nicht gleich zu wählen, wenn man ihn für ein Weilchen haben will, man kann ihn auch mieten – 20.000 Euro für einen halben Tag.

Stattdessen könnte ich Hannelore Kraft von der SPD wählen. Die ist bekannt ist für … mal überlegen … Studiengebühren abschaffen – genau, das war’s! Oder die Grünen, also gegen Atomkraft? Das Einzige, was an dieser Wahl interessant ist: CDU und FDP könnte ihre Bundesratsmehrheit flöten gehen.

Weit und breit gibt es keine Politiker, die mich auch nur im Mindesten inspirieren. Jedenfalls nicht in NRW. Wo ist er, der Barack aus Bottrop, der Oberhausener Obama? Jemand mit dem großen Wurf – atomwaffenfreie Welt, Regulierung des Finanzsektors, gesetzliche Krankenkasse? Ach so, Krankenkassen haben wir ja schon. Zum Glück versucht unsere Bundesregierung momentan sie zu unterminieren, damit in dreißig Jahren ein Politiker groß rauskommen kann, indem er die gesetzliche Krankenkasse wieder einführt. Falls irgendein afrodeutscher Zehnjähriger aus Oberhausen das lesen sollte: hier ist dein Wahlkampfthema für 2040.

Als Barack Obama gewählt wurde, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben die Bravo gekauft. Die hatte ein Faltposter von ihm drin. Es hing lange im Wohnzimmer, bis meine Tochter mich gezwungen hat, es abzuhängen – jedenfalls so lange, bis die Amerikaner aus Afghanistan abgezogen sind. Ich finde Obama trotzdem großartig: ein Politiker, der Visionen hat, die über Parteiinteressen hinausgehen, und sich nicht scheut, sie umzusetzen, auch wenn es ihn kurzfristig an Beliebtheit kostet. Mag schon sein, dass Obama im Tagesgeschäft Kompromisse macht. Aber er verliert sein Ziel nicht aus den Augen. Während unsere Politiker – tja, da wäre man schon froh, wenn sie überhaupt ein Ziel hätten.

Die Autorin ist Journalistin und in der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Foto: Firat Bagdu