Energiekonzept von Schwarz-Gelb: Bewährungsjahr für AKW-Gegner

Seit 2009 wähnt sich die Anti-AKW-Bewegung im Aufschwung. Wenn die schwarz-gelbe Regierung ihr Energiekonzept festzurrt, muss sich der Widerstand bewähren.

Aktive Antiatomkraftbewegung 2009: Aktion der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Bild: dpa

GÖTTINGEN tazRund 50.000 Menschen forderten Anfang September in Berlin die Abschaltung aller Atomanlagen. Nicht nur wegen dieser großen Demo wähnt sich die Anti-AKW-Bewegung im Aufschwung. Schon im Februar hatten sich mehr als 20.000 an einer Lichterkette zum Atommülllager Asse und zum geplanten Endlager Schacht Konrad beteiligt. Nach der Bundestagswahl begleiteten Atomgegner die Koalitionsverhandlungen in Berlin mit täglichen Aktionen. An vielen Atomstandorten gab es Sonntagsspaziergänge, Mahnwachen und Andachten.

Doch die große Bewährungsprobe kommt erst 2010. Die Bundesregierung will an der Atomkraft als "Brückentechnologie" mittelfristig festhalten. Sie hat angekündigt, dass zumindest einige der insgesamt 17 deutschen Kernkraftwerke länger am Netz bleiben sollen, als es der Atomkonsens aus dem Jahr 2000 vorsieht. Für einige Meiler wie Biblis A und B oder Neckarwestheim 1, die ihr Reststromkontingent eigentlich ausgeschöpft haben, sind Übergangslösungen im Gespräch. So könnte die Regierung den Betreibern erlauben, Strommengen von neueren auf alte Reaktoren zu übertragen. Der vorherige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte solche Anträge der Stromwirtschaft stets abgelehnt. Sein Nachfolger Norbert Röttgen (CDU) hat sich öffentlich noch nicht positioniert.

Überhaupt sendet Röttgen widersprüchliche Signale aus. In Interviews hängt er die Laufzeitverlängerung für AKW eher tief - Kernkraft habe für ihn in Deutschland keine Zukunft. Andererseits berief Röttgen mit Gerald Hennenhöfer einen harten Atomlobbyisten zum Leiter der wichtigen Abteilung Reaktorsicherheit.

In Gorleben wollen Union und FDP das seit fast zehn Jahren bestehende Moratorium aufheben und den Salzstock weiter erkunden. Opposition und Anti-Atomkraft-Bewegung halten den Standort für "verbrannt". Sie verweisen auf fragwürdige Kriterien bei der Vorauswahl vor mehr als 30 Jahren und auf Dokumente, die politischen Druck der Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) auf Gorleben-Gutachter nahelegen. Das Suchverfahren müsse deshalb neu aufgerollt werden, Gorleben dabei außen vor bleiben.

Auch das marode Bergwerk Asse bleibt 2010 ein Thema. Das Bundesamt für Strahlenschutz will in Kürze einen Vorschlag machen, wie die Deponie geschlossen werden kann. Als Alternativen werden die Bergung der Abfälle, ihre Umlagerung sowie die sogenannte Vollverfüllung mit einer Betondecke geprüft. Alle drei Optionen bergen Risiken.

Es gibt also genug zu tun, heißt es bei den Bürgerinitiativen. Die Initiative ContrAtom veröffentlichte Weihnachten einen Widerstandskalender 2010. Eine erste größere Demonstration am 6. Februar in Hameln richtet sich gegen den geplanten Transport plutoniumhaltiger Mischoxid-Brennelemente aus der britischen Atomfabrik Sellafield ins niedersächsische AKW Grohnde.

Am 27. März - 31 Jahre nach dem Beinahe-GAU im US-amerikanischen Atomkraftwerk Three Miles Island bei Harrisburg - ist ein bundesweiter Aktionstag gegen Energiekonzerne angekündigt. Am Tschernobyl-Jahrestag (24. April) soll es unter anderem einen Traktoren-Treck zum AKW Krümmel und eine Großdemo in Ahaus geben.

An einen weiteren Jahrestag soll am 4. Juni eine große Demonstration in Gorleben erinnern: Vor 30 Jahren wurde die Republik Freies Wendland bei Gorleben von der Polizei geräumt. Mit der Platzbesetzung und einem großen Hüttendorf hatten Atomgegner aus ganz Deutschland gegen die Tiefbohrungen in den Salzstock protestiert.

Im Spätsommer lädt die atomkritische Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad nach Salzgitter ein. Das Bundesverfassungsgericht hatte kürzlich die Beschwerde eines Landwirts gegen den Bau eines Endlagers abgewiesen. "Entsetzen ja, aber von Resignation keine Spur", kommentierten die örtlichen Atomgegner den Richterspruch. Sie wollen den Protest nun auf die Straße tragen. Straßen und Schienen werden wohl auch Schauplätze des Widerstandes gegen den nächsten Castortransport sein, der im November im Wendland erwartet wird.

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