Castor, Kunst und Kräuter

WAS LERNEN Im Wendland hat die erste „Sommerakademie“ begonnen. In mehr als 150 Veranstaltungen wollen Einheimische mit Auswärtigen in Kontakt kommen: beim Steinbildhauen oder E-Bike fahren

„Wir alle lieben das Wendland und möchten diese Liebe teilen“

CHRISTINA SCHUSTER, ORGANISATORIN

Schon wieder besetzt. Es ist dieser Tage schwierig, Christina Schuster an die Strippe zu bekommen. Von ihrem Bauwagen im Dannenberger Ortsteil Prisser aus organisiert die Landwirtin und Kräuterexpertin die erste „Sommerakademie“ im Wendland und in der Elbtalaue. Am Donnerstag fiel der Startschuss, am 31. August geht der Veranstaltungszyklus aus Workshops, Seminaren, Vorträgen, Wanderungen und Atelierbesuchen zu Ende. Schuster ist seit Wochen fast rund um die Uhr im Einsatz. Beantwortet am Telefon und per E-Mail Anfragen von Ausstellern und Besuchern, gibt Anreisetipps, stellt neue Veranstaltungen ins Internet, organisiert Unterkünfte und Transporte.

„Ganz unglaublich“, sagt sie, als es mit dem Telefongespräch dann doch klappt. „Die Resonanz auf unsere Initiative war einfach ganz unglaublich. Wir haben ein fantastisches Feedback erhalten.“ Im April erst sei die Entscheidung gefallen, die Sommerakademie bereits in diesem Jahr zu veranstalten. Dutzende Künstler, Handwerker und andere Kreative hätten gleich in den ersten Wochen ihre Beteiligung zugesagt. Von 30 über 70 wuchs die Zahl der angebotenen Veranstaltungen auf mehr als 150.

Der Öko-Hotel-Betreiber und Wolfsberater Kenny Kenner führt Gäste durch den Göhrde-Wald, mit Försterin Tatjana Jensen geht es auf eine Rad- und E-Bike-Tour durch die Elbatalaue. In Tüschau wird ein fünftägiger Steinbildhauerkurs angeboten. Im Seifenwerk Vietze gibt es einen Tag der Offenen Tür. Wer es esoterisch möchte, kann einen Kurs über die hawaiianische Kunst der Vergebung besuchen oder sich den Vortrag „Hypnose ist eine Kommunikationskunst in Trance“ anhören.

Dazu, na klar, jede Menge Politik: Zum Beispiele eine Radtour durch die Clenzer Schweiz mit Anekdoten aus dem Widerstand. In Dübbekold klärt Wolfgang Ehmke, einer der Altvorderen des wendländischen Anti-Atom-Widerstandes, über die wechselvolle Geschichte des Standortes Gorleben auf. Bei einem Wochenend-Workshop unterrichtet Jan Becker von der Organisation ContrAtom „Klettern auf Bäumen und bei Aktionen“ – der Kurs wendet sich ausdrücklich auch an Einsteiger. Und am 24. August startet am Endlager-Bergwerk ein Gorleben-Marathon: „24 Stunden lang werden sich Menschen rund um die Anlagen auf den Weg machen“, versprechen die Veranstalter: „Kutschfahrten, per pedes, Joggen und Spaziergang, alles ist dabei.“

Viele Angebote erinnern an die „Kulturelle Landpartie (KLP), die jedes Jahr zwischen Himmelfahrt und Pfingsten und Wendland stattfindet – 2013 bereits zum 24. Mal – und Zehntausende in den Landkreis Lüchow-Dannenberg lockt. Ist die Sommerakademie also eine Art „KLP light“, eine Fortsetzung der Landpartie unter anderem Namen? Ja und nein, sagt Christina Schuster. Ihr Konzept habe sie zunächst im Kreis der KLP-Organisatoren vorgestellt und auch deren Verteiler für die Werbung benutzt. Es gebe aber auch Unterschiede.

Bei der Kulturellen Landpartie reisten viele Künstler und Kulturschaffende von auswärts an, alle Teilnehmer der Sommerakademie lebten dagegen in der Region. Im Mittelpunkt stehe der Wunsch danach, dass Einheimische und Auswärtige miteinander in Kontakt kommen. „Wir wollen zwar auch unsere Kurse und Produkte anbieten und etwas Geld verdienen“, umreißt Christina Schuster das Akademie-Konzept. „Vor allem aber sollen die Gäste uns besser kennenlernen. Wir alle lieben das Wendland und möchten diese Liebe gerne mit unseren Besuchern teilen.“ Schuster selbst lebt seit fast 20 Jahren hier, sie bietet während der Sommerakademie Kräuterwanderungen und Kräuterkochkurse an.

Dass das Geschäft nicht im Vordergrund stehe, zeige sich auch an den im Vergleich zur KLP moderaten Eintrittspreisen für die Veranstaltungen und Konzerte. Und den niedrigen Kosten für die Unterkünfte, die viele der Künstlerinnen und Künstler bei mehrtätigen Kursen privat anbieten. „Das schafft“, findet Organisatorin Schuster, „ein ganz besonderes Flair.“

Beworben wird die Sommerakademie übrigens kaum durch Plakate und Papier, auch ein bedrucktes Programmheft wie bei der Landpartie gibt es nicht. Die Veranstaltungen werden vor allem über die sozialen Netzwerke und einen übersichtlichenInternetauftritt bekannt gemacht, den der wendländische Webdesigner Jürgen Pötschik gestaltet hat.

Die erste Sommerakademie hat noch gar nicht richtig begonnen, doch für Christina Schuster steht außer Frage, dass es im nächsten Jahr eine Neuauflage geben wird. Vielleicht nicht nur eine. „Wir überlegen“, sagt die Netzwerkerin, „ob es zusätzlich im Februar eine Winterakademie in Scheunen und Sälen geben kann.“  REIMAR PAUL

bis 31. August www.sommerakademie-wendland.de