Hauptsache billig und unauffällig

Im Martin-Gropius-Bau werden alle 309 eingegangenen Architektur-Entwürfe für die „Topographie des Terrors“ gezeigt. Der Sieger steht längst fest

Die „Topographie des Terrors“ genannte Fläche neben dem Martin-Gropius-Bau ist ein chaotisches Ensemble. Zwischen einem Reststück der Berliner Mauer, Schutthügeln und Gestrüpp liegen freigelegte Überreste historischer Gebäude verstreut: Zellen des ehemaligen Gestapo-Gefängnisses, Küchenkeller von SS-Verpflegungsbaracken. Zwischen den Ruinen erinnert eine Bauzaun-Ausstellung unter freiem Himmel daran, dass hier zwischen 1933 und 1945 die Zentrale des nationalsozialistischen Terrorapparates war.

Die Tafeln und Hörsäulen, die über Gestapo-Gefängnis und die vom „SS-Sicherheitsdienst“ begangenen Verbrechen informieren, ziehen jährlich 400.000 Besucher an. Aber sie sind nur ein Provisorium. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung will jetzt Schluss machen mit dem wild wuchernden Open-Air-Museum. Im April 2005 schrieb es einen europaweiten Architekturwettbewerb für die Gestaltung der Freiflächen und eines Gebäudes für die Ausstellung „Topographie des Terrors“ aus. Die Vorgaben waren betont nüchtern. Einhaltung der Kostenobergrenze von 15 Millionen Euro und Flächeneffizienz waren oberstes Gebot. Die teilnehmenden Architekten wurden explizit aufgefordert, eine „(bau)künstlerische Überhöhung in der Gestaltung“ zu vermeiden. Billig, bescheiden und funktional soll es sein. Von großspurigen Architektenträumen haben der Bund, das Land Berlin und die Topographie-Stiftung erst einmal genug.

Der Hintergrund: Nach einem ersten Wettbewerb vor 13 Jahren wurde der Schweizer Architekt Peter Zumthor mit dem Bau eines Ausstellungs- und Besucherzentrums beauftragt. Der imposante Entwurf erwies sich als zu teuer, nach zehn Jahren Streit wurde das Projekt Ende 2004 endgültig beendet und der begonnene Rohbau abgerissen.

Im zweiten Wettbewerb setzte man jetzt auf Nummer Sicher. Die Jury, der neben namhaften Architekten Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei/PDS) und Topographie-Direktor Andreas Nachama angehörten, kürte einen denkbar unspektakulären Entwurf zum Sieger. Das Aachener Architekturbüro Heinle,Wischer und Partner überzeugte mit einem eingeschossigen Flachbau mit transparenter Metallgeflechtfassade, der laut Jury eine „für einen Lernort angemessene Würde“ ausstrahlt.

Im Lichthof des Martin-Gropius-Baus sind jetzt alle 309 eingegangenen Architekturentwürfe zu besichtigen. Bei der Ausstellungseröffnung gestern verteidigte der Stiftungsvorsitzende Nachama erneut die Entscheidung für den Flachbau im Stil der 50er-Jahre, der direkt am Martin-Gropius-Bau bis 2009 entstehen soll. Der Entwurf „schöne“ die Geschichte nicht. Er erhebe aber auch nicht den Anspruch, Denkmal zu sein.

Die Jury belohnte vor allem Unauffälligkeit. Das zeigt ein Vergleich zwischen den vier prämierten und dem Rest der eingegangenen Entwürfe. Darunter sind eine ganze Reihe starker und mutiger Arbeiten. Das Büro „Schuster Architekten“ aus Düsseldorf etwa sah einen bunkerähnlichen Steinwürfel vor, der dem umherspazierenden Besucher inmitten einer verwilderten Vegetation als Stolperstein in den Weg tritt. Didaktik war aber nicht gefragt, der Beitrag schaffte es in die zweite Runde, nicht aber in die engere Wahl.

Auch auffällige Solitäre mitten im Gelände waren der Jury zu dominant: Der Dreigeschosser mit halb durchsichtiger Fassade des Berliner Architekten Alexander Moers kam seiner Eleganz wegen in die engere Auswahl; das Modell wurde von der Stiftung angekauft – immerhin.

Radikale Entwürfe, die über die bloße Ausgestaltung eines Ausstellungsgebäudes hinausgingen, flogen bereits in der ersten Runde aus dem Rennen. Der Beitrag des Berliner Architekten Wolfgang Göschel fasst die „Topographie des Terrors“ geografisch weiter. Göschel lässt die Fläche zwischen Niederkirchnerstraße, Wilhelmstraße und Martin-Gropius-Bau gänzlich unbebaut. Als Ausstellungsort sieht er das bestehende Nebengebäude des Finanzministeriums vor. Die Positionierung des Umbaus soll die Geschichte des heutigen Abgeordnetenhauses und des Finanzministeriums kommentieren. Hier waren das Reichsluftfahrtsministerium und das Haus der Flieger untergebracht. Ein realisierbarer und differenzierter Umgang mit Geschichte wäre dieser Entwurf gewesen. Doch an dem Ort der „Topographie des Terrors“ hat statt Erinnern nur noch eine bloße Ausstellungshülle Priorität. NINA APIN