Armee zerschießt Ägypten

ESKALATION Soldaten töten am Wochenende mehr als 80 Mursi-Anhänger, jetzt will die Armee ein Camp der Islamisten räumen. Säkulare Opposition stützt den Kurs des Militärs

KAIRO rtr/ap | Fast vier Wochen nach dem Umsturz in Ägypten ist die Gewalt dramatisch eskaliert: Bei schweren Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Anhängern des abgesetzten Staatschefs Mohammed Mursi wurden am Wochenende mindestens 80 Menschen getötet. Die islamistische Muslimbruderschaft, aus deren Reihen Mursi kommt, sprach von weit über 100 Toten in Kairo.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtete, dass am Samstag viele der Opfer in Kairo durch Schüsse in den Kopf oder in die Brust getötet worden seien. Dies sei auf Videos zu sehen und zudem von Augenzeugen bestätigt worden.

Mursis Muslimbruderschaft und andere islamistische Gruppen hatten zu einer Kundgebung in der Nähe ihres Protestcamps im Stadtteil Nasr City aufgerufen, um den gleichzeitig stattfindenden Protesten von Unterstützern des Militärs am Freitag entgegenzutreten. Armeechef Abdel Fatah al-Sisi hatte das Volk zu Demonstrationen aufgerufen, um ihm ein Mandat für ein Vorgehen gegen „potenziellen Terrorismus“ vonseiten der Muslimbrüder zu geben. Millionen von Menschen folgten seinem Aufruf.

Die Muslimbruderschaft verurteilte den jüngsten Gewaltausbruch als „Massaker“. Im Protestlager der Mursi-Anhänger in der Vorstadt Nasr City harrten auch am Sonntag noch Tausende aus.

Innenminister Mohammed Ibrahim stellte eine baldige Räumung der islamistischen Protestlager in Aussicht. Am Sonntag bekräftigte er bei einer Abschlusszeremonie für Polizeischüler in Kairo: „Wir werden es keinen verrückten, gehässigen Leuten erlauben, den Frieden zu stören.“

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Übergangsregierung auf, „den Schutz aller Ägypter sicherzustellen“. Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte einen sofortigen Gewaltverzicht. US-Außenminister John Kerry brachte in einem Telefonat mit Übergangsvizepräsident Mohammed ElBaradei die „tiefe Besorgnis“ der USA zum Ausdruck.

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