Krisenbewältigung im Wüstensand

Die Berliner Verein „Breaking the Ice“ organisiert einen ungewöhnlichen Saharatrip: Zehn Menschen, die aus Nahost-Konfliktländern stammen, sollen sich dabei gegenseitig konfrontieren – und einander näher kommen

BERLIN taz ■ Zehn Menschen gehen in die Wüste. Sie suchen das Fremde, den offenen Raum hinter der Grenze. Ihr Trip ist ein privates und politisches Abenteuer, denn die zehn sind alles andere als Urlaubsfreunde. Sie kommen aus Nahost-Konfliktländern, sie leben in oder zwischen Kulturen, die von Krieg und Terror bestimmt sind, und sie haben diesen Krieg am eigenen Leib erlitten. Die zehn wagen ein Experiment: Sie konfrontieren sich, durchmessen die innere und äußere Landschaft dieses Krieges, um in den offenen Raum dahinter zu gelangen. Vielleicht.

„Breaking the ice“ unterstützt sie dabei. Die internationale Konfliktbewältigungsorganisation mit Sitz in Berlin hat den ungewöhnlichen Wüstentrip organisiert. Bereits vor zwei Jahren erregten die Friedensaktivisten weltweites Interesse. Im Januar 2004 organisierten sie eine Bergbesteigung in der Antarktis und luden dazu vier Palästinenser und vier Israelis ein. Einige von ihnen sind heute Freunde.

Die Wüstenreise führt nicht mehr über neutralen Boden, sondern mitten durchs Krisengebiet. „Wir erleben heute einen der härtesten Konflikte zwischen der islamischen und der westlichen Welt“, sagt Mitorganisator und Logistikchef Adam Rice. „Das ist zum großen Teil auch ein Medienkonflikt. Wir wollen das aufbrechen.“

In dieser Woche startet „Into the eye of the storm“ mit zehn Teilnehmern und vierzehn Unterstützern in Jerusalem. In dreißig Tagen sollen 5.000 Kilometer Weg zurückgelegt und fünf Länder im Nahen und Mittleren Osten durchquert werden: Israel, Palästina, Jordanien, Ägypten und Libyen. Durch die Sahara reist das Team in speziell ausgerüsteten Wüstentrucks, auf Kamelen und zu Fuß.

Risiken gibt es dabei genug. Klar war bei der Abreise aus Berlin am letzten Wochenende zum Beispiel noch nicht, ob Libyens Staatschef Gaddafi die israelischen Teilnehmer einreisen lässt. Ist dies der Fall, wäre das die erste offizielle Einreise für Israelis seit Ausbruch der Intifada. Wenn nicht, muss die Gruppe ihre Reiseroute ändern.

Mit dabei ist ein ehemaliger israelischer Anti-Terror-Kämpfer, der bei einem Aufklärungsflug abgeschossen und zwei Jahre in syrischen Gefängnissen malträtiert wurde, ein Imam, der der berühmten Al-Aksa-Moschee in Jerusalem vorsteht, eine junge Iranerin, die ihre beste Freundin bei einem Bombardement verlor, eine Israelin, deren Mutter bei einem Bombenanschlag im Bus umkam. Aber auch ein russischer Bomberpilot, der für die Sowjetarmee in den Afghanistankrieg zog, und ein Feuerwehrmann aus New York City, der bei den Terroranschlägen vom 11. September dutzende Kollegen verlor.

Bei der seit vergangenem Juli laufenden Vorbereitung des Wüstentrips war zuerst einmal nicht klar, woher die Teilnehmer überhaupt kommen sollten. „Viele Menschen aus den Konfliktländern wie Afghanistan oder Irak wagten es nicht, an unserer Aktion teilzunehmen“, sagt Mitorganisator Rice. „Sie befürchteten Verfolgungen daheim, oder sie durften gar nicht ausreisen.“ Also haben die Initiatoren Freunde, Kollegen und Geschäftspartner gefragt, haben Behörden und Institute kontaktiert, Flüchtlingsorganisationen und Ärzte ohne Grenzen.

„Breaking the ice“ ist keine politische Organisation. „Wir setzen uns für den Frieden ein“, so Rice, „und der kommt nicht von oben, von den Regierungen, sondern vom einzelnen Menschen.“ Die Gruppe arbeitet als Non-Profit-Unternehmen, auf Basis von Spenden und Zuwendungen. Die rund zwanzig Mitarbeiter, wie der 33-jährige Geschäftsmann und Yogalehrer Rice, machen Frieden in ihrer Freizeit.

Gegründet wurde die Organisation vor drei Jahren von dem in Berlin lebenden israelischen Unternehmer Heskel Nathaniel. „Von Anfang an war uns klar, dass wir nicht den Weltfrieden schaffen, aber wir wollten unseren Tropfen in den Ozean tun, und das ohne Wenn und Aber“, sagt er. Die Reise in die Antarktis war als Einzelprojekt geplant. Dass daraus ein Dauerengagement für den Frieden wird, hätte Nathaniel nicht gedacht. JANA SITTNICK