Staatsbankrott in Griechenland: Kauft Feta und Olivenöl!

Das griechische Haushaltsloch bringt auch die Staaten der Eurozone in Bedrängnis. Deutschland hat Mitschuld.

Geschlossenes Geschäft: In Athen macht sich die Krise schon bemerkbar. Bild: dpa

Die gigantische Staatsverschuldung Griechenlands hat auch die anderen Länder der Eurozone und die Europäische Zentralbank (EZB) in Alarmbereitschaft versetzt. Denn die von inzwischen drei Ratingagenturen herabgesetzte Kreditwürdigkeit des Mitgliedslandes strahlt auch auf die Gemeinschaftswährung aus. Vor allem deutsche Regierungsvertreter wie Kanzlerin Angela Merkel oder Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) fordern deswegen bereits Sanktionen. Vertreter der EU-Kommission und der EZB haben sich in der vergangenen Woche in Athen durch die Bilanzen gewühlt und verlangen verstärkte Sparanstrengungen von Griechenland.

Das Problem ist nicht von der Hand zu weisen: Griechenland hat ein Haushaltsdefizit von offiziell 12,7, womöglich aber bis zu 14,5 Prozent seiner Wirtschaftsleistung. Und die Regierungen sollen die Zahlen jahrelang schöngerechnet haben, um die Stabilitätskriterien für den Euro einzuhalten, die nur eine Neuverschuldung von 3 Prozent erlauben. Schlimmer als der negative Staatssaldo allein ist aber die Kombination mit einem ähnlich hohen Defizit in der Leistungsbilanz. Griechenland produziert deutlich weniger, als es verbraucht, und es muss mehr importieren, als es exportieren kann.

Normalerweise müsste ein Land mit einem solchen Zwillingsdefizit seine Währung abwerten und damit seine Exporte verbilligen und ausländische Direktinvestitionen anlocken. Wegen der Gemeinschaftswährung ist Griechenland diese Lösung versperrt.

Die Analysten der Commerzbank haben in einer aktuellen Studie drei mögliche Zukunftsszenarien aufgezeichnet. Als "sehr unwahrscheinlichen" Fall bezeichnen sie einen Zusammenbruch des europäischen Währungssystems. Dazu seien die Interessen zu stark, die Union zusammenzuhalten. Die zweite Möglichkeit wäre "ein geordneter Austritt" Griechenlands aus dem Euroverbund. Dafür sehen die Regularien zwar kein Verfahren vor, allerdings finden es die Autoren "bemerkenswert", dass die EZB kürzlich eine Studie zu genau diesem Thema veröffentlicht" habe. Das dritte - und auch nach Ansicht der meisten anderen Experten wahrscheinlichste - Szenario ist, dass die besser gestellten Eurozonenländer Griechenland unterstützen.

Offiziell zieren sich bislang jedoch sowohl die Mitgliedstaaten als auch die EZB. Letztlich könnten aber die Staats- und Regierungschefs "ein außergewöhnliches Ereignis" in einem Staat feststellen und Hilfen unter Auflagen beschließen. Dazu könnten beispielsweise Direktkredite oder eine gemeinsame Euroanleihe gehören.

Ökonomen wie der Unctad-Chefökonom Heiner Flassbeck oder der Chef des Deutschen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav Horn, gehen darüber hinaus: Sie halten insbesondere Deutschland für mitschuldig an der Misere in Griechenland und Co - und deshalb in einer Bringschuld. Leistungsbilanzdefizite wie das griechische seien nur möglich, weil Länder wie Deutschland deutliche Leistungsbilanzüberschüsse aufweisen, so Flassbeck. "Deutschland hat die Wettbewerbsfähigkeit seiner Exportindustrie dadurch gesteigert, dass es über zehn Jahre praktisch eine Nichtlohnerhöhungspolitik gab." Gemäß dem EZB-Inflationsziel müssten die Lohnstückkosten jährlich um rund 2 Prozent steigen, also in zehn Jahren um rund 22 Prozent. In Deutschland kletterten sie in den letzten zehn Jahren aber gerade mal um 8 Prozent, in Griechenland dagegen um 28. "Griechenland ist also viel näher dran an der Norm als Deutschland", so Flassbeck. Deutschland werde aber von niemandem zur Verantwortung gezogen.

Und die Lösung? Am liebsten wäre Flassbeck, wenn sich die EU über einen grundsätzlichen Plan zur Angleichung der Lohnsteigerungen verständigen würde - auch wenn das aufgrund der Tarifautonomie schwierig sei. Ergänzend fordert IMK-Chef Horn einen Strategiewandel der deutschen Wirtschaft. Diese müsse es auch zum Importweltmeister bringen, damit andere Länder mehr Waren nach Deutschland verkaufen können. "Wir müssen nun nicht alle Feta und Olivenöl kaufen", so Horn. Wenn die deutsche Binnennachfrage steige, sei das bei "dem dichten Geflecht im Euroraum" ein sinnvoller Impuls auch für Griechenland.

Als Soforthilfe ist Flassbeck aber auch einer europäischen Anleihe nicht abgeneigt, die eine vermittelte Subventionierung Griechenlands und anderer Defizitländer bedeuten würde: Die Staaten der Eurozone würden an den Geldmärkten gemeinsam Geld aufnehmen. Die Zinsen dafür wären erheblich niedriger als die, die für griechische Bonds zu zahlen wären, aber deutlich höher als für deutsche Staatsanleihen.

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