Radfahrer-Paradies Humboldtstraße

BAUSTELLENBESUCHE (2) Baustellen nerven. Sie sind laut. Sie sind dreckig. Manche allerdings können das Stadtbild positiv verändern, wie unsere Baustellen-Besuche in loser Folge zeigen sollen

Die Humboldtstraße wird, abgesehen von zwei Ampeln, zur Vorfahrtstraße

Für die Fahrradfreunde Bremens gibt es bald Grund zur Freude: In der Humboldtstraße entsteht bis Juni 2014 eine Fahrradstraße. Autos sind dann zweitrangig und müssen sich unterordnen.

Seit Juni 2012 wandert eine große Baustelle durch die Humboldtstraße. Eine Fahrradstraße soll hier entstehen – die Fahrbahnbreite wird dafür um einen Meter reduziert, die Fußwege ausgeweitet. Die wohl bedeutungsvollste Neuerung für alle Verkehrsteilnehmer: Fahrräder werden künftig Vorrang haben.

„Dann ist auch zu zweit nebeneinanderher fahren erlaubt“, so Brigitte Pieper, Leiterin des Amts für Straßen und Verkehr. „Das birgt neue Unfallgefahren“, sagt hingegen eine Kioskverkäuferin. Ihrer Meinung nach fahren viele Radfahrer rücksichtslos: „Sie geben keine Handzeichen, und dadurch übersieht man sie leicht.“ Das werde noch riskanter, wenn man die Rechts-vor-links-Regelung abschaffe: Die gesamte Humboldtstraße wird, abgesehen von zwei Ampeln, zur Vorfahrtstraße. Das könne Autofahrer zum Rasen verleiten, so die junge Frau.

Eine unbegründete Sorge, findet Pieper. Schließlich werden Ampeln an den wichtigsten und somit gefährlichsten Kreuzungspunkten neu installiert und die Humboldtstraße bleibt Tempo-30-Zone. Durch den Vorrang der Radfahrer werde sich die Geschwindigkeit noch dazu automatisch regulieren.

Das Prinzip erinnert an das „Shared Space“-Konzept aus den Niederlanden, das zurzeit in der St.-Gotthard-Straße in Osterholz erprobt wird. Ansonsten sei es in Bremen so noch nicht vorhanden, sagt Pieper. Im Shared Space sind alle gleichberechtigt, das heißt Fußgänger teilen sich mit Autos und Fahrrädern die Straße. Der Verkehr wird ohne Schilder, dafür durch Blickkontakt und Rücksichtnahme geregelt. In der Humboldtstraße wird aber weder auf Ampeln verzichtet, noch sollen alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sein: Im Vordergrund stehen klar die Radfahrer. Für Fußgänger wird es weiterhin separate Wege geben.

Der Grund für den Umbau zur Fahrradstraße? Die Humboldtstraße ist ein Hauptverkehrspunkt für Radler. Schon immer dominierten sie hier das Bild. „Der Anteil der Fahrrad-Verkehrsteilnehmer liegt deutlich über dem der KFZ-Teilnehmer“, erklärt Pieper. So war das zumindest im belebteren Teil der Straße vom Dobben bis zur Horner Straße: Dort kamen vor Beginn der Baustelle auf 5.400 Fahrradfahrer täglich 4.400 KFZ-Teilnehmer. Im hinteren Teil bis zur St.-Jürgen-Straße waren es hingegen laut Oliver Iversen vom Amt für Straßen und Verkehr 4.800 KFZ-Teilnehmer und 3.500 Radler.

Ein weiteres Anliegen beim Bau sei gewesen, eine Alternative zum ausgelasteten Ostertorsteinweg/Vor dem Steintor zu finden, so Pieper. Der sei wegen der Nutzung durch Autos und Straßenbahn für Radfahrer kaum befahrbar. In Zukunft besteht die Möglichkeit, in die Parallelstraße auszuweichen. Dass Fahrradstraßen in Bremen funktionieren, wurde bereits in der Wachmannstraße unter Beweis gestellt: Dort sind Radfahrer seit 2011 die Protagonisten des Straßenverkehrs.

Die Humboldt-Fahrradstraße wird voraussichtlich im Juni nächsten Jahres eröffnet. Ein Anwohner freut sich darauf, „weil eine Verkehrsberuhigung womöglich das Ende des Straßenstrichs bedeutet“. Allgemein findet er eine Fahrradstraße „einfach genial – am besten sollte das ganze Viertel autofrei sein“.  WB