Neue Räume für die Schule

LERNEN 2.0 Mobile Wissensvermittlung ist Schwerpunktthema auf der diesjährigen Bildungsmesse Didacta in Köln. Die Wahl der richtigen Medien kann nicht nur den Unterricht effizienter machen, sondern auch Kosten vermeiden

Intranet über kommunale Rechenzentren statt teurer Geräte und Software-Lizenzen

VON ANSGAR WARNER

Das Klassenzimmer der Zukunft sieht aus wie die Brücke von Raumschiff Enterprise: Ein paar Schüler arbeiten an schlanken Netbooks, andere lümmeln sich um eine bunt leuchtende Tischplatte herum, die sich bei näherem Hinsehen als horizontaler Touch-Screen-Monitor entpuppt. Das Standardmodell gibt’s beim Hersteller Microsoft für schlappe zehntausend Euro. Ein Whiteboard, also eine interaktive Tafel mit Web-Anschluss, bekommt man dagegen inklusive Software schon für drei- bis viertausend Euro.

Gerade hat noch die Kanzlerin vorbeigeschaut, bald drückt Jürgen Rüttgers für ein paar medienwirksame Sekunden die High-Tech-Schulbank. Denn das digitale Klassenzimmer ist zugleich ein fliegendes Klassenzimmer. Letzte Woche Cebit, nächste Woche schon auf der Didacta in Köln. Die größte deutsche Bildungsmesse ist nicht einfach nur ein Schaulaufen der Schulbuchverlage, sondern überhaupt ein Stelldichein der deutschen Bildungswirtschaft.

Die neuen Medien haben das Gesicht der Branche deutlich verändert – neben Microsoft zählen sich auch Unternehmen wie Adobe, Samsung oder Nintendo dazu. Wer allerdings nur an „Laptop-Klassen“ denkt oder an CD-ROMs, muss dringend mal nachsitzen. Mobiles Lernen, ein Schwerpunkt der diesjährigen Didacta, nutzt oft schon ganz andere Kanäle – zum Beispiel Handys und Spielekonsolen. Nicht jeder hat einen mobilen Computer, ein mobiles Telefon besitzen mittlerweile 95 Prozent aller Jugendlichen.

„Man kann auf dem Markt schon etliche Verlagsprodukte finden, zum Beispiel zum Fremdsprachenlernen – kleine Programme, die man sich aufs Handy herunterladen kann, um zwischendurch lernen zu können. Es gibt aber auch Anbieter, die für bestimmte Fachthemen oder Zielgruppen Angebote offerieren, etwa speziell für die Abiturprüfung“, so Maciej Kuszpa, der in der Forschungsgruppe Mobile Learning an der FernUniversität in Hagen arbeitet.

Fast genauso beliebt sind mobile Spielekonsolen. In jedem vierten bis fünften Haushalt wird mit ihnen gespielt, zunehmend jedoch auch gelernt. Beim schlichten „Gehirnjogging“ bleibt es dabei nicht: „Viele pädagogische Inhalte, die früher auf CD-ROMs verbreitet wurden, überträgt man jetzt auf Konsolen wie etwa die Nintendo DS“, berichtet Marcel Grobe von der Mediengruppe Süddeutscher Verlag. „Besonders interessant ist das für die Nachmittagsgestaltung an Ganztagsschulen.“ Was die Konsolen so beliebt macht, ist auch ihre Kontrollierbarkeit. Auf ihnen läuft nur das, was auf dem jeweiligen Programm-Cartridge draufsteht. Ins Internet kommt man mit ihnen nicht. Neben Lernspielen wird mit den Konsolen mancherorts auch schon Sport getrieben, bewegungsempfindliche Sensormatten machen’s möglich.

Die neuen Medien sind jedoch im Schulbetrieb auch dort auf dem Vormarsch, wo weder Handys noch Videospiele genutzt werden – denn das gute, alte Schulbuch kommt in vielen Fällen nur noch als Paketlösung in den Ranzen: „Die Einpreisung digitaler Medien geschieht mittlerweile über beigelegte CDs oder über Download-Codes, mit denen von der Verlagshomepage bestimmte Inhalte abgerufen werden können“, so Rino Mikulic vom Didacta-Mitausrichter VdS Bildungsmedien. Die neue Strategie habe auch wirtschaftliche Hintergründe. Die Umsätze mit selbständigen digitalen Medien seien seit den Neunzigerjahren deutlich eingebrochen.

Viele Schulträger überlegen heute auch ganz genau, ob sie Geld in neue Gerätetechnik investieren sollen. Was ein Grund dafür sein mag, dass die neue Generation elektronischer Lesegeräte nicht den Sprung von der Cebit auf die Didacta geschafft hat. Während in den USA E-Reader wie der Amazon Kindle bereits von Schulen und Hochschulen eingesetzt werden, wartet man im Leseländle lieber noch etwas ab. Was soll man auch mit E-Paper im Klassenraum, wenn nicht mal genügend Geld für Klopapier da ist?

Es geht allerdings auch ohne teure Geräte und ohne teure Software-Lizenzen, das zeigt die Lernplattform NRWir: „Dahinter steckt die Vision, das ein Teil des Lernens zukünftig im Netz stattfinden kann, in einer Art virtueller Gemeinschaft“, so Michael Thessel von der Medienberatung NRW. Das Intranet für Schüler und Lehrer entstand durch eine Kooperation mit kommunalen Rechenzentren – wodurch die Nutzung für beteiligte Schulen äußerst kostengünstig bleibt. „Mit NRWir gibt es nun eine moderne Form von öffentlich vorgehaltener Lerninfrastruktur“, so Thessel. Auf der Didacta dürfte das am Ende der größte Lerneffekt in Sachen Neue Medien sein – mit dem digitalen Klassenzimmer klappt’s auch, wenn man kein Schulgeld an Bill Gates zahlt.