Die Bekleidung als theoretische Option

KUNST Karin Arinks Arbeiten, die derzeit in Bremen zu sehen sind, machen Beschädigung produktiv

VON ANDREAS SCHNELL

Auf dem Boden im Eingangsbereich des Ausstellungsraums ist eine Struktur aus PVC appliziert, über die gehen muss, wer mehr sehen möchte. Die niederländische Künstlerin Karin Arink freut sich, dass diesmal kein Weg an dieser Arbeit vorbeiführt.

Das war vor knapp zwei Jahren im Gerhard-Marcks-Haus anders, als sie neben Reinhold Engberding in der Ausstellung „Kleider machen Kunst“ vertreten war und das Publikum respektvoll bemüht, sich um die Bodenkunst herumzubewegen. Auch wenn besagtes Werk – außer ein paar Fußabdrücken – dabei kaum Schaden nehmen dürfte, könnte sogar das durchaus im Sinne der Künstlerin sein. Betritt man den Ausstellungsraum, fällt zuerst ein Kleid ins Auge, das wie in Fetzen von der Decke hängt. Nicht die einzige Arbeit, die in praktischer Dekonstruktion Leerstellen erzeugt, die auf das Verhältnis zwischen dem im Kleid eingeschlossenen Menschen und seinem Außen verweisen. Der Titel „Kooi/Käfig“ bringt das Prinzip präzise auf den Punkt. Mit Kooi, dem Zierkarpfen, hat er eigentlich nichts zu tun: „Kooi“ ist niederländisch für „Käfig“.

Aber Arink nimmt solche Assoziationen gerne mit. Sie erweitern die Fragestellungen und den Assoziationsraum zu deren Beantwortung. Und eigentlich sind ihre Körperkäfige in ihrer partiellen Transparenz beinahe so etwas wie Aquarien. Leere Aquarien müssten es in diesem Fall sein, die, wie Kleider, gleichwohl ohne ihre Funktion, ihr eigentlich Inneres, kaum zu denken sind. „Kleider machen Kunst“ war der Titel der Ausstellung im Marcks-Haus. Aber Kleider machen auch ganz anderes, wie wir nicht erst seit Gottfried Keller wissen. Sie prägen das Bild, was andere Menschen von ihrem Träger oder ihrer Trägerin haben, und dies wiederum wirkt zurück auf das Bild, dass Träger oder Trägerin von sich selbst bilden.

Als theoretische Option sind also auch in leeren Kleidern stets Körper enthalten. Dies, die Ab- und Anwesenheit von Körpern, ist eines der Themen, die sich durch Arinks Werk ziehen.

„Kleidung, Sprache, Frisur, aber auch die Körperhaltung werden als Signifier gelesen, ein Urteil über den Menschen steht schnell fest“, erläutert Arink. Auch in diesem Sinne ist ihre Arbeitsweise zu verstehen: Arink zerstört Kleidungsstücke und Haltungen und legt dabei den Blick frei: „Unbeschädigt produzieren sie keine Fragen, mit ihrer Zerstörung aktiviere ich Fragen.“

■ „Kooi/Käfig“, bis 19. Juli, K’ – Zentrum Aktuelle Kunst, Alexanderstr. 9b, Bremen