Ein Herz für Hitler

Der Prozess ist umstritten – die Rechtslage klar: Weil der Historiker David Irving den Holocaust leugnet, muss er in Österreich gerichtlich belangt werden

Hitler „hat seine Hand schützend über die Juden gehalten“

aus Wien RALF LEONHARD

Der stets überkorrekt gekleidete ältere Herr, der heute im vermutlich voll besetzten Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts auf der Anklagebank Platz nehmen wird, liebt Auftritte vor großem Publikum. Der Brite mit den Manieren eines Gentleman trägt seine Hitler-Apologie fast genauso gern vor begeistert tobenden Burschenschaftern vor wie vor empörten Historikern.

Die Justiz fürchtet vor allem Erstere. Es sei zu befürchten, dass während des Verfahrens Naziparolen gebrüllt würden, heißt es aus dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Doch Bierzeltstimmung will man auf keinen Fall aufkommen lassen. Jeder Hitlergruß werde mit einer Strafanzeige geahndet, warnt Richter Peter Liebetreu in der Tageszeitung Die Presse.

Der 67-jährige Historiker David John Caldwell Irving muss sich vor den Geschworenen wegen „Wiederbetätigung“ verantworten. Der 1938 geborene Sohn eines Offiziers der Royal Navy hatte schon früh sein Herz für den Kriegsgegner Deutschland entdeckt. Eine Offizierslaufbahn war ihm aus gesundheitlichen Gründen verwehrt. Studien der Physik und Staatswissenschaften schloss er nicht ab. Nach einem Zwischenspiel als Stahlarbeiter bei Thyssen im Ruhrgebiet versuchte er sich in England als Historiker. Zunächst mit Erfolg. Doch in seinem 1963 erschienenen Bestseller „The Destruction of Dresden“ übernahm Irving die von der Nazipropaganda lancierte Verzehnfachung der Opferzahlen des britischen Luftangriffs auf 250.000. Bald entwickelte er sich zum umstrittenen Hitler-Apologeten.

Gegenstand der Anklage ist ein Vortrag im November 1989 im steirischen Leoben, zu dem der FPÖ-nahe Freiheitliche Akademikerbund geladen hatte. Hitler, so gab sich Irving damals überzeugt, habe „schützend seine Hand über die Juden gehalten“. Die so genannte Reichskristallnacht, also die organisierten Pogrome im November 1938, seien das Werk Unbekannter gewesen, die in SA-Uniformen geschlüpft seien. Diese Behauptungen bestätigte Irving kurz darauf in einem Interview mit der Journalistin Christa Zöchling, die damals für das inzwischen eingestellte SPÖ-Parteiblatt Arbeiterzeitung schrieb. „Es gab in Auschwitz keine Gaskammern. Alle Zeugen, die das Gegenteil behaupten, sind Fälle für die Psychiatrie“, diktierte er ins Mikrofon. So stellte der Autor die Dinge dann auch in seinem 1997 erschienenen Buch „Goebbels – Macht und Magie“ dar. Nach dem Interview wurde die Staatsanwaltschaft Wien aktiv, ja, musste einschreiten. Denn in Österreich ist das Leugnen des Holocaust ein Straftatbestand. Ein weiterer Vortrag in Wien konnte nicht mehr stattfinden. Der Provokateur entzog sich einem Haftbefehl durch überstürzte Abreise.

16 Jahre später, am 11. November 2005, war der Holocaust-Leugner wieder zu einem Vortrag in der Steiermark unterwegs. Die rechtsextreme Burschenschaft Olympia hatte ihn als Gastredner nach Graz holen wollen. Doch das Fahrzeug mit Schweizer Kennzeichen wurde von der Autobahnpolizeiinspektion Hartberg gestoppt. Die Polizei hatte einen Hinweis bekommen. Seither sitzt Irving, der sich gern als Opfer der Zensur sieht, in Untersuchungshaft. Freilassung auf Kaution wurde wegen Fluchtgefahr vom Richter abgelehnt.

David Irving ist nach dem so genannten Verbotsgesetz angeklagt (siehe Kasten). Mit einer Verurteilung ist zu rechnen. Irving will sich im Sinne der Anklage schuldig bekennen. Mit reumütiger Selbstkritik ist allerdings nicht zu rechnen. Sein Anwalt Elmar Kresbach hatte zwar verbreitet, Irving sei durch Dokumente von der These abgerückt, das KZ Auschwitz sei eine erst nach dem Krieg für Touristen errichtete Attrappe.

Doch diesen Verteidiger entließ Irving laut Presseberichten. Er will sich jetzt vom berühmt-berüchtigten Nazianwalt Herbert Schaller vertreten lassen. „Tatsächlich wäre ein öffentliches Abrücken Irvings von der Gaskammerleugnung ein nur schwer zu verwindender Schlag für die internationale Neonaziszene“, schreibt das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands in Wien. Schaller soll vorhaben, sich auf die „Vagheit des Tatbestands“ nach Paragraf 3g Verbotsgesetz zu berufen. Irving habe nicht wissen können, dass „das Bestreiten der Massentötungen in Gaskammern in Österreich als verbotene Betätigung im nationalsozialistischen Sinn“ qualifiziert werde.