Hetze in der Schweiz: "Kein Hochdeutsch mit den Deutschen"

In der Schweiz nimmt die antideutsche Stimmungsmache zu. Anfangs hetzten nur die Rechtspopulisten der SVP. Inzwischen sind auch seriöse Medien und liberale Politiker mit dabei.

Bild: reuters

ZÜRICH taz | Eigentlich hetzte bisher nur die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei (SVP) in Zürich und ihr publizistisches Schlachtschiff Weltwoche gegen Deutsche in der Schweiz. Doch jetzt wird die Meinung auch von seriösen und liberalen Medienschaffenden und Politikern sowie Teilen der Deutschschweiz unterstützt.

Sehr deutlich wird das in der jüngsten Ausgabe des “Club”, der meistgesehenen politischen Diskussionsrunde des Deutschschweizer Fernsehens nach der freitäglichen “Arena”. Nach dem angeblichen “deutschen Filz” an der Universität Zürich, gegen den die dortige SVP seit Dezember mit rassistischen Parolen hetzt, dient aktuell auch die Berufung einer jungen deutschen Wissenschaftlerin auf eine Assistenzprofessur an der Universität Bern als Beleg für die “Überfremdung” der Schweiz durch Deutsche.

Die bislang von der Berliner Regierung und ihren Diplomaten in Bern gehegte Hoffnung, die antideutsche Stimungsmache sei lediglich ein Mittel der SVP im Kampf um Stimmen bei den Wahlen im Kanton Zürich am 7. März und werde danach eingestellt, dürfte sich nicht erfüllen. Denn die SVP hat nach der gewonnen Volksabstimmung über das Minarettverbot den strategischen Wert der Kampagne gegen Deutsche für die nationalen Parlamentswahlen im kommen Jahr erkannt.

„Es ist ein Fehler, daß wir mit den Deutschen Hochdeutsch reden", erklärt auch der bislang als liberal und weltoffen geltende Züricher Medienunternehmer Roger Schawinski, der sich in der Vergangenheit in der „Club”-Diskussion häufig gegen Fremdenfeindlichkeit äußerte. Schawinski, der bis 2006 drei Jahre lang Chef von SAT 1 war , fordert, die Deutschen in der Schweiz sollten künftig den örtlichen Dialekt sprechen. „Bei den Jugoslawen in der Schweiz sagen wir ja auch, die Integration geschieht vor allem über die Sprache.”

Der langjährige sozialdemokratische Parlamentsabgeordnete Rudolf Strahm beklagt das „Problem der Verdrängung” schlecht ausgebildeter Schweizer durch besser qualifizierte Deutsche auf dem Arbeitsmarkt. Belege dafür nennt Strahm keine. Arbeitsmarktexperten widersprechen der These von der Verdrängung gerade mit Blick auf das Gesundheitssystem, den Bildungsbereich und andere Sektoren des Arbeitsmarktes. Hier haben seit Inkrafttreten der Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU besonders viele Deutsche eine Stelle gefunden. Zumeist gab es hier überhaupt keine oder nur deutlich schlechter qualifizierte Schweizer Bewerber.

Das gilt auch für die 33-jährige promovierte Kommunikationswissenschaftlerin Silke Adam aus Deutschland, die am 1. Februar ihre Assistenzprofessur-Stelle an der Universität Bern antritt als Nachfolgerin des pensionierten Medienprofessors Roger Blum. Adam setzte sich durch gegen 31 Mitbewerber aus verschiedenen Ländern - darunter lediglich zwei Schweizer - weil sie dem von der Universität formulierten Anforderungsprofil am besten entsprach.

Doch unter Missachtung all dieser lästigen Fakten sah der SVP-Abgeordnete Christoph Mörgeli in der „Club"-Sendung hinter der Berufung Adams nur „deutsche Seilschaften” am Werk. Ihm sei in der Schweiz „kein deutsch besetzter Lehrstuhl bekannt, für den sich nicht ein ebenbürtiger Schweizer beworben habe”, erklärte der SVP-Politiker. Zudem sei es Ausdruck der Schweizer „Kriechhaltung” gegenüber den Deutschen, daß die Uni Bern kürzlich die Ehrendoktorwürde an Bundeskanzlerin Angela Merkel verliehen habe.

Mörgeli, einer der Drahtzieher der Hetzkampagne seiner Partei gegen den „deutschen Filz” an der Uni Zürich hatte sich dort selber kürzlich um die Leitung des Medizinhistorischen Instituts beworben - neben weitereren Kandidaten aus der Schweiz, Deutschland und anderen Ländern. Mangels ausreichender Qualität war der SVP-Politiker aber nicht einmal in die engere Auswahl gekommen. Dennoch behauptete Mörgeli in der "Club"-Diskussion: "Es geht nicht um mich" - um sich dann gleich selber mit dem Satz zu dementieren: „Aber wenn man hier immer Steuern und Militärdienst geleistet hat, dann staunt man schon ein bisschen, wenn der Chef plötzlich Schulze heißt.” Mörgelis Gesinnungsfreund und Weltwoche-Redakteur Markus Sohm betonte, "Schweizer sein heißt, nicht Deutsch zu sein". Und das müsse man "die Deutschen spüren lassen". "Zum Deutschen-Mobbing ist es von da nicht mehr weit", kommentierte der Zürcher Tagesanzeiger diese Bemerkung.

Die Bundesregierung und ihre Diplomaten in Bern hatten sich bislang mit öffentlichen Reaktionen auf die antideutsche Stimmungsmache zurückgehalten, in der Hoffnung, die SVP werde ihre Kampagne nach den Wahlen in Zürich am 7.März einstellen. Alle Informationen aus der SVP-Führungsspitze um Parteipräsident Toni Brunner und den eigentlichen Chefstrategen Christoph Blocher deuten aber auf eine Fortsetzung der Kampagne und ihre Ausweitung auf die nationale Ebene hin. Vor allem, wenn die Partei bei den Wahlen in Zürich gut abschneidet.

Das Kalkül der SVP ist einfach zu durchschauen: Während sie mit ihren fremdenfeindlichen und rassistischen Kampagnen der letzten Jahre gegen „illegale" und „kriminelle” Ausländer, Flüchtlinge und Asylbewerber aus dem Balkan, Osteuropa und Ländern des Südens vor allem Stimmen bei unteren Einkommens- und Bildungsschichten gewinnen konnte, verspricht eine Angstkampagne gegen die „Überfremdung” und Arbeitsplatzkonkurrenz durch Deutsche auch Stimmenzuwächse in mittleren und oberen Einkommens- und Bildungssegmenten der Schweizer Bevölkerung.

Ermutigt fühlt sich die SVP zudem durch ihren Erfolg bei der Volksabstimmung über das Minarettverbot. Dieser Erfolg wurde nur möglich, weil die SVP mit ihrer antiislamischen Angstkampagne zwei Drittel der Anhänger der beiden bürgerlichen Mitteparteien CVP und FDP dazu bewegen konnte, entgegen der klaren Empfehlungen der beiden Parteiführungen für das Minarettverbot zu stimmen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.