Kubas Wirtschaft wuchs um 11,8 Prozent

Trotz der Hurrikane boomte Kuba 2005 – in der Statistik. Zur Belohnung spendiert Staatschef Castro Haushaltsgeräte

HAMBURG taz ■ Kuba gilt eigentlich als marode – doch für das letzte Jahr konnte Wirtschaftsminister José Luis Rodríguez eine Wachstumsrate von überraschenden 11,8 Prozent melden. Ein solches Plus verbuchen sonst nur noch das Boomland China oder aber der Ölstaat Venezuela.

Ein Grund für den Wirtschaftsboom: Der Tourismus wuchs offiziell um mehr als 12 Prozent. Rund 2,3 Millionen Touristen besuchten 2005 die Insel und sorgten für Bruttoeinnahmen von geschätzten 2 bis 3,5 Milliarden US-Dollar. Auch der Nickelexport legte 2005 um 7 Prozent zu, die Förderung von Erdöl und Gas wuchs um 8,8 Prozent.

In anderen Sektoren der Wirtschaft sieht es jedoch weniger gut aus. So sank die Zuckerproduktion erstmals seit der Revolution auf weniger als 1,5 Millionen Tonnen. Der Tabakanbau litt ebenfalls unter den zahlreichen Hurrikanen im Westen und der Dürre im Osten der Insel. Auch die Ernte anderer Produkte wie Kochbananen, Reis oder Zitrusfrüchte fiel magerer aus. Die Hurrikanschäden werden auf weit über eine Milliarde Dollar beziffert, die Dürre im Osten hat ein Minus von mehreren hunderttausend US-Dollar verursacht.

Es stellt sich daher die Frage, weshalb das Wirtschaftsministerium trotzdem so positive Zahlen vorlegen konnte. „Die 20.000 Ärzte und Krankenschwestern, die in Venezuela und anderswo Dienst schieben, sind dafür unter anderem verantwortlich“, erklärt Omar Everleny, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Havanna. „Auch der Boom im Gesundheitswesen und die gestiegenen Ausgaben der Regierung gehen ein.“ Bisher wurde die Arbeit des medizinischen Personals im Bruderstaat Venezuela nicht verbucht; 2005 taucht sie nun erstmals als „komplexe Dienstleistung“ in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auf. Gleiches gilt für die meist unentgeltlichen Augenoperationen, mit denen die kubanischen Ärzte vielen Armen das Augenlicht erhielten.

Vom Boom in den Statistiken profitieren auch viele Kubaner. Neben Lohn- und Rentenerhöhungen hat Staatschef Fidel Castro diverse Großaufträge befohlen. Um die Energieversorgung zu verbessern und den Strom effizienter zu nutzen, wurden Generatoren, Lokomotiven sowie Millionen von Haushaltsgeräten geordert – vom Reiskocher bis zum Elektroherd. Bei dieser „Revolution des Energiesektors“ rechnet Castro mit Einsparungen von einer Milliarde US-Dollar; davon sollen dann die Lieferanten bezahlt werden. Castros kühne Rechnung ist allerdings riskant, denn Kubas Devisenreserven sind nicht sonderlich üppig. KNUT HENKEL