„Natürlich erzeugt Gewalt Gegengewalt“

Abu Daoud war beim Überfall auf die israelische Delegation bei den Olympischen Spielen in München dabei.Es sei eine friedliche Operation geplant gewesen, sagt er. Das Attentat von 1972 kostete aber 17 Menschen das Leben

taz: Herr Daoud, Töten aus Rache ist das zentrale Thema des neuen Films „München“ von Steven Spielberg. Sie gelten als einer der Drahtzieher des Attentates von 1972. 17 Menschen kamen dabei ums Leben. Wer stand hinter der Aktion, was waren die Ziele?

Abu Daoud: Hinter der Aktion stand Abu Iyad, der Chef der Organisation „Schwarzer September“, ich war sein Assistent. Wir planten eine friedliche Operation, bei der kein Blutstropfen vergossen werden sollte. Wir wollten die israelischen Sportler als Geiseln nehmen, um die Freilassung unserer Häftlinge in israelischen Gefängnissen zu erzwingen.

Warum ausgerechnet die Olympischen Spiele in München?

Die Palästinenser hatten einen Antrag auf Teilnahme an den Olympischen Spielen gestellt. Wir wollten die Welt durch unsere Teilnahme auf uns aufmerksam machen. Unser Antrag wurde aber abgelehnt, und so haben wir entschieden, auf unsere Weise daran teilzunehmen. An Töten oder Sterben hatte niemand gedacht. Als Ausnahme galt nur der Fall der Selbstverteidigung. Aber die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir blieb stur und die deutschen Behörden haben mit ihr konspiriert. Problematisch war, dass der Ort München war. Wegen der deutschen Schuldgefühle den Juden gegenüber wurden die Deutschen von Golda Meir erpresst.

Bei der gescheiterten Aktion zur Geiselbefreiung sollen Sie die Handgranate in den Hubschrauber geworfen haben, die viele Menschen tötete. Israel ließ in der Folge des Münchner Attentates 18 Personen ermorden, die mit dem Anschlag in Verbindung gestanden haben sollen.

Wer kann schon nachweisen, dass der Hubschrauber mit einer Handgranate in die Luft gesprengt wurde? Ich fordere, die Leichen zu untersuchen. Erst dann ließe sich feststellen, welche Kugeln die Israelis und Palästinenser das Leben kosteten. Die 18 Palästinenser, die von Israel später in den europäischen Hauptstädten umgebracht wurden, hatten mit München nichts zu tun. Sie waren alle politische Aktivisten der PLO. Manche von ihnen hatten noch nie eine Pistole gesehen.

Mahmud Abbas, der damalige Finanzchef der PLO und heutige Chef der palästinensischen Autonomiebehörde, soll das Attentat finanziert haben.

Nein, er war nicht eingeweiht. Auch PLO-Chef Jassir Arafat war nicht informiert. Wir waren eine Gruppe, die von der PLO finanziert wurde, aber selbständig arbeitete. Weder Abbas noch Arafat wussten, was wir mit dem Geld veranstalteten. Israel hat den Namen Abbas mit München in Verbindung gebracht, um ihn als Chef der Autonomiebehörde unter Druck zu setzen.

Sie standen auf der Todesliste des israelische Geheimdienstes, Sie haben 1981 einen Anschlag in Warschau überlebt. Wie oft sind Sie dem Geheimdienst entkommen?

Mein Ziel war, für die Freiheit meines Volkes zu kämpfen. Dass die Möglichkeit, dabei getötet zu werden, hoch war, war mir klar. Die Israelis wissen besser, wie oft sie versucht haben, mich umzubringen. Es waren viele Male.

Nicht wenige vergleichen heute das Attentat von München mit den Anschlägen vom 11. September 2001.

Die beiden Ereignisse unterscheiden sich grundlegend. Der 11. September hatte andere Ziele, wir wollten 1972 niemanden töten. Läge München in Italien, wären alle noch am Leben.

Teilen Sie die Botschaft in Spielbergs Film, dass Gewalt Gegengewalt erzeugt?

Ich habe den Film nicht gesehen, aber ein Freund hat mir davon erzählt. Er zeigt, wie israelische Killerkommandos unter dem Dach des israelischen Parlaments gebildet wurden und sich in Europa verteilten, um die Aktivisten der PLO zu töten. Natürlich erzeugt Gewalt Gegengewalt. Das sollte Israel, das mit Gewalt gegen uns angefangen hat, genau wissen. Unfair ist, dass Spielberg den Film zwei Witwen der israelischen Opfer vor der Ausstrahlung gezeigt hat. Er hat sich aber nicht darum bemüht, sich mit den Angehörigen der 18 palästinensischen Opfer zu beraten.

Wird es einen Tag geben, an dem Sie sich bei den Hinterbliebenen entschuldigen werden?

Ja, unter einer Bedingung: Sie sollen sich auch für unsere Opfer entschuldigen, sowohl die Israelis als auch die Deutschen.

Wie schätzen Sie die Lage in Palästina nach dem Wahlsieg der Hamas ein? Israel lehnt es ab, mit einer palästinensischen Behörde zu verhandeln, in der die Hamas vertreten ist.

Die Israelis haben in der Vergangenheit ähnlich über die PLO gesprochen. Sie sagten, sie werden sich mit Terroristen nicht an einen Tisch setzen. Danach haben sie einen Vertrag mit ihnen geschlossen. Wenn die Israelis in der Region in Frieden leben wollen, sind sie gezwungen, mit Hamas und anderen Organisationen zu verhandeln.

INTERVIEW: FATIMA SHIHABI