Schluss mit kuscheln

Nach Alleingang um Abschaffung des Jugendstrafrechts: CDU-Fraktion gibt Justizsenator Roger Kusch zum Sofort-Abschuss frei. CDU-Geschäftsführer Klaus Peter Hesse erwartet Entschuldigung von Kusch oder Entscheidung von Bürgermeister von Beust

Von MARCO CARINI

Klaus-Peter Hesse wird deutlich. „Das Fass ist übergelaufen“, erbost sich der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion über einen Mann aus den eigenen Reihen: Justizsenator Roger Kusch (CDU). Mit seinem Alleingang zur Abschaffung des Jugendstrafrechts habe Kusch sich „persönlich und politisch ins Abseits gestellt“. Hesse: „Das wird die Fraktion nicht akzeptieren.“

Noch am Montagabend hatte die Regierungsfraktion Kusch wegen seines Alleingangs beim Thema Sterbehilfe in die Mangel genommen. Der Justizsenator hatte zuvor angekündigt, trotz immensen Widerstands in der eigenen Partei eine Gesetzesinitiative zur Legalisierung der aktiven Sterbehilfe zu erarbeiten.

„Sehr, sehr deutlich“, so Hesse, habe man ihn davor gewarnt, seinen Plan durchzuziehen und die Fraktion durch weitere Alleingänge zu brüskieren. „Wir haben dem Senator den Kopf gewaschen“, frohlockte ein Abgeordneter nach der Fraktionssitzung: „Das hat selbst auf Kusch Eindruck gemacht.“

Der Mann irrte. Nur wenige Stunden später bekamen die CDU-Abgeordneten gestern Morgen bereits den nächsten Donnerschlag des Parteifreundes präsentiert. In einem Beitrag für die Neue Zeitschrift für Strafrecht plädiert der Justizsenator für die Abschaffung des Jugendstrafrechts samt Jugendgerichtsbarkeit. Kuschs Tenor: Der „Erziehungsgedanke“ des Jugendstrafrechts sei verfehlt, statt „Schonung“ sei bei jugendlichen Straftätern eine „strikte Reaktion“ der Justiz vonnöten.

Da auch dieser Vorstoß – wie viele zuvor – mit der CDU-Fraktion nicht abgestimmt war, platzte auch den geduldigsten unter den Unionsabgeordneten gestern der Kragen. Selbst Fraktionschef Bernd Reinert, ansonsten eher ein Freund betulicher Statements, wurde ungewohnt deutlich: „Wie jedes andere Senatsmitglied muss sich auch Herr Dr. Kusch erst einmal in der Partei und in der CDU-Fraktion um eine Mehrheit bemühen“, wies er den 51-Jährigen gestern in die Schranken. Und setzte noch einen drauf: Mit „einer solch mangelhaften Vorbereitung“ könne der Senator mit Sicherheit „keine Mehrheiten gewinnen“.

Noch deutlicher wird Klaus-Peter Hesse, als Jugendpolitiker der Fraktion auch fachlich für den Bereich Jugendstrafrecht mitverantwortlich. Kuschs Vorstoß sei nicht nur „inhaltlich falsch“, der Senator habe sich auch „nicht an getroffene Absprachen gehalten“ und damit erneut bewiesen, „dass er die Zusammenarbeit mit der Fraktion nicht schätzt“. Zudem wirft Hesse dem Senator unverhohlen verzerrte Realitätswahrnehmung vor: Kusch könne „nicht mehr real einschätzen, was er mit seinen Vorstößen bewirkt“. Mit seinem neuerlichen Alleingang habe er sich „persönlich und politisch ins Abseits gestellt“.

Auch wenn kein CDU-Bürgerschaftler das Wort „Rücktritt“ in den Mund nimmt – Kusch wird mit dieser Bewertung seiner politischen „Fähigkeiten“ von der eigenen Fraktion zum Abschuss freigegeben. Selbst Hesse hat nur noch „ein letztes Fünkchen Hoffnung“, dass der Senator „ganz klar einräumt, dass sein Verhalten nicht akzeptabel war“. Doch selbst das würde nicht reichen, denn Hesse erwartet „eine Entschuldigung von Herrn Kusch“.

Da in der CDU niemand mehr glaubt, dass der Ex-Kommilitone des Senatschefs noch zur Räson kommt, wird der Ruf nach einem Machtwort Ole von Beusts laut. Hesse: „Ich erwarte, dass der Bürgermeister mit Kusch redet und eine Entscheidung trifft, die der Sache angemessen ist.“ Welche das sein müsse, daran hat die CDU-Fraktion gestern keinen Zweifel gelassen.

Kusch selbst sieht keinen Grund zum Rücktritt. Er vermute, dass da „in der Kommunikation etwas schief gelaufen“ sei. Aber man müsse unter Parteifreunden „auch mal einen Knatsch abkönnen“.