In die Defensive gedrängt

HALBZEITBILANZ Teil 2: Diese Woche bilanziert die taz nord zwei Jahre Schwarz-Grün: Die Kulturpolitik steht finanziell enorm unter Druck und lässt Gestaltungswillen und Visionen vermissen, findet Petra Schellen

Kultursenatorin Karin von Welck steht vor einem Scherbenhaufen

Alles hätte so schön sein können: Die Eröffnung der Elbphilharmonie stünde bevor, die Museen wären wohl genährt, und das Tamm-Museum genösse einen exzellenten Ruf, nachdem fähige Kuratoren es erstmal umgestaltet hätten: Groß waren die Erwartungen an die Kulturpolitik der schwarz-grünen Koalition, groß Hoffnungen, die alte wie neue Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) möge eine klar konturierte Politik betreiben.

Stattdessen steht sie vor einem Scherbenhaufen: Die Kosten für die Elbphilharmonie explodieren. Eröffnet wird 2012, vielleicht auch erst 2013. Und der Intendant reagiert gereizt, sobald der Slogan vom „Haus für alle“ fällt. Dass über Peter Tamms Schiffs- und Militariasammlung, mit 30 Millionen Euro gesponsert, niemand mehr spricht, ist der Senatorin wohl recht.

Dabei wollte von Welck, seit Juni 2008 für die Elbphilharmonie zuständig, gegensteuern, als sie den Chef der städtischen Realisierungsgesellschaft entließ: Er habe ungelenk mit der Baufirma Hochtief verhandelt, die damals 100 Millionen mehr forderte, hieß es. Anderthalb Jahre später ist alles wie gehabt: Hochtief will weitere 22,4 Millionen, die Verhandlungen stocken.

Klare Worte von Politikern, die Hochtief öffentlich die Zähne zeigen: Fehlanzeige. Auch von Ole von Beust, dem das Vorzeige-Konzerthaus einst Chefsache war, hört man nichts. Ebenfalls schweigt die Baubehörde, die das Projekt zuvor betreute. Man lässt die Kulturbehörde wurschteln.

Das tut sie auch anderswo: Als im August 2009 Künstler das Gängeviertel besetzten, sah die Senatorin lange zu. Das Areal vom Investor zurückzukaufen, fiel schließlich Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk (GAL) zu. Eine Niederlage für die Kultursenatorin, der es doch so gut angestanden hätte, diesen Prozess zu moderieren. Ein Statement zur Rolle von Künstlern im Gentrifizierungsprozess, gar Vorschläge für ein Gegensteuern: Karin von Welck gab es nicht.

Auch finanziell gerät sie stark unter Druck: Stets besorgt um den Verlust von Sponsoren, zettelte sie Ende 2008 einen Streit mit Schauspielhaus-Chef Friedrich Schirmer an, der in „Marat“ die Namen Hamburger Millionäre verlesen lassen wollte. Sorge um die Freiheit der Kunst sieht anders aus.

Diese defensive Haltung hat Gründe. Stets droht der Sparzwang bei der Nicht-Pflichtaufgabe Kultur: Zehn Millionen Euro werden es 2011/2012 sein. Dass es nicht noch mehr wurde, ist der öffentlichen Diskussion zu verdanken, nicht der Fürsprache von Senatskollegen. Kulturpolitik genießt offenbar keine Priorität in dieser Koalition. Die Senatorin wirkt zunehmend hilfloser und reicht diese Haltung nach unten durch: Elf Monate ließ Kunsthallen-Chef Hubertus Gassner die Leitung der Galerie der Gegenwart vakant, um zu sparen. Genützt hat es nichts: Als Ende 2009 die abermalige Neuverschuldung der Museen bekannt wurde konnte der Diskussionen über den Verkauf von Museumsbeständen kaum deckeln. Ursache ist ein altes strukturelles Defizit.

Dies müsste Schwarz-Grün beheben, tut es aber nicht.