Muslimische Länder protestieren gegen Mohammed-Karikaturen
: Eine dänische Rushdie-Affäre

Sie wusste, was für ein Süppchen sie da kochte: Die dänische Zeitung Jyllands-Posten (JP), die als Sprachrohr des rechtsreaktionären Dänemark gilt, kann auf eine ungute Vergangenheit des unverblümten Antisemitismus in den Dreißigerjahren zurückblicken. Heute kühlt sie ihr Mütchen lieber an Einwanderern mit einem publizistischen Kurs, der sich vor allem gegen Muslime richtet.

Im vergangenen Herbst veröffentlichte die JP-Redaktion ein Dutzend Karikaturen, die den muslimischen Propheten Mohammed mal mit Bombe im Turban, mal mit anderen Araberstereotypen in Verbindung brachten und die manche Betrachter an Zeichnungen aus dem nationalsozialistischen Stürmer erinnerten. Das schien gut ins Konzept der Zeitung zu passen, konnte man sich doch damit als vermeintliche Speerspitze der Pressefreiheit profilieren und die Proteste, die so erwartbar waren wie das „Allah ist groß“ in der Moschee, dann schnurstracks zu einem Angriff auf die Meinungsfreiheit umdeuten.

Nun darf Satire bekanntlich alles, auch geschmacklos sein. Doch die kalkulierte Provokation der JP geschah nicht im luftleeren Raum. Dänemark hat sich in den vergangenen Jahren mit einem offen ausländerfeindlichen Kurs profiliert, der nicht nur in Politik und Recht, sondern auch im öffentlichen Diskurs deutliche Spuren hinterlassen hat. Führende dänische Politiker können hier ganze Gruppen von Migranten als Menschen zweiter Klasse bezeichnen und den Islam mit Pest und Cholera vergleichen, ohne dass dies größeren Protest erregt. Erst am vergangenen Samstag traten deshalb nun zwölf dänische Schriftsteller an die Öffentlichkeit, um in einem offenen Brief einen „Verfall humanistischer Werte“ zu beklagen und eine öffentliche Debatte zu kritisieren, die „Erinnerungen an totalitäre Bewegungen aus anderen geschichtlichen Epochen weckt“.

Man hätte sich allerdings gewünscht, dass die muslimischen Reaktionen auf die umstrittenen Karikaturen nicht so vorhersehbar gewesen wären. Vier Monate nach der Veröffentlichung hat sich die Debatte zu einer Art dänischer Rushdie-Affäre ausgeweitet und damit ungeahnte Dimensionen angenommen. Eine unheilige Allianz undemokratischer Regime wie Iran, Libyen und Saudi-Arabien hat den Streit nämlich zum Anlass genommen, massiven politischen und wirtschaftlichen Druck auf Dänemark auszuüben. Diese Reaktion lässt einer westlichen Öffentlichkeit nur die Wahl, im Zweifel für die Pressefreiheit einzutreten. Auch wenn dies angesichts der unappetitlichen Karikaturen schwer fällt. REINHARD WOLFF