EU-Kundschafter in den Kongo

Vertreter aus Brüssel sondieren eine Militärintervention. UN-Mission wirft der von der EU mit aufgebauten neuen Armee des Landes schwere Menschenrechtsverletzungen vor

BERLIN taz ■ Eine Erkundungsmission der EU nimmt nächste Woche in der Demokratischen Republik Kongo Sondierungen über eine mögliche EU-Militärintervention auf. Dies beschloss der sicherheitspolitische Ausschuss des EU-Ministerrats am Dienstagabend in Brüssel.

Die UNO hatte zuvor auf Bitten der UN-Mission im Kongo (Monuc) um die Entsendung einer „Battle Group“ der EU in das Land gebeten. Sie soll im Falle möglicher Putschversuche oder Kämpfe im Umfeld der für April geplanten Wahlen kurzfristig eingreifen können. Weil als einzige „Battle Group“ die deutsch-französische Brigade zur Verfügung steht, löste dies eine Interventionsdebatte in Deutschland aus.

Die EU-Erkundungsmission wird nicht mit einem fertigen Eingreifkonzept in den Kongo kommen, sondern mit Fragen an die Monuc. Erst danach, also im Februar, soll in Brüssel eine formelle Entscheidung fallen. Eine Stationierung könnte dann ab März erfolgen. Bis dahin wollen die UN-Blauhelme mit eigenen Kampfeinsätzen noch versuchen, die zahlreichen irregulären Milizen im Ostkongo zu schwächen, die in jüngster Zeit ihre Aktivitäten wieder verstärken. Dies soll zumindest einen möglichen Unsicherheitsfaktor für die Wahlen ausschalten. Der andere ist, ob hohe Politiker des Kongo im Falle einer Wahlniederlage mit eigenen Armeen zu den Waffen greifen.

Eine andere EU-Militärdelegation unter französischer Führung hält sich bereits im Kongo auf, um die EU-Zusammenarbeit mit der im Aufbau befindlichen neuen Armee des Kongo (FARDC) zu reformieren. In dieser werden Kämpfer bisheriger Bürgerkriegsparteien in „integrierten Brigaden“ zusammengeführt. Belgien liefert ihnen ausgemusterte Nato-Waffen, Frankreich leitet ein EU-Unterstützungsbüro für den FARDC-Generalstab. Doch der FARDC-Aufbau steckt in der Krise. Von 18 geplanten Brigaden stehen bislang erst sechs, wovon einige nicht funktionsfähig sind. Verbreitete Korruption sorgt dafür, dass die meisten Soldaten schlecht oder gar nicht bezahlt sind und daher zum Überleben plündern.

Seit diesem Jahr kontrollieren EU-Experten direkt die Auszahlung von Sold und die Ausgabe von Lebensmitteln an FARDC-Soldaten. Die neu entsandte EU-Mission soll nun die komplette Organisationsstruktur der Armee neu entwerfen und klären, wie man Anzahl, Identität und Aufenthaltsort aller Soldaten des Landes feststellen könnte. Nachdem der Kongo letztes Jahr erstmals ein nationales Wahlregister mit über 25 Millionen Menschen erstellte, müsste es schließlich herauszufinden sein, ob es 300.000 oder nur 135.000 potenzielle FARDC-Soldaten gibt.

Solche Reformen sollen dem Trend entgegenwirken, dass die FARDC zerfällt, bevor sie vollständig existiert. In der ostkongolesischen Provinz Nordkivu gab es erst vor wenigen Tagen Kämpfe zwischen regulären und desertierten FARDC-Soldaten.

Pünktlich zum Eintreffen der EU-Experten warf die Menschenrechtsabteilung der UN-Mission der FARDC schwerste Menschenrechtsverletzungen vor. Allein für November und Dezember werden Kongos Armee in einem UN-Bericht 42 Vorfälle zur Last gelegt, darunter summarische Hinrichtungen, Kannibalismus, Massenvergewaltigung und Verstümmelung von Zivilisten.

So muss sich die EU auch fragen, ob ihre Kongopolitik überhaupt dem Frieden dient. In zahlreichen Regionen Ostkongos hat die Bevölkerung inzwischen zum Schutz gegen die Armee eigene Milizen gebildet, die nach einer strengen Auslegung des Friedensprozesses illegal sind und von der UNO bekämpft werden müssten. DOMINIC JOHNSON