„Gern auch erotisch“

Heute läuft die 3.000. Ausgabe des RTL-„Nachtjournals“ (0.00 Uhr). Moderatorin Susanne Kronzucker über die öffentlich-rechtliche Konkurrenz, Peter Kloeppel und Klischees

INTERVIEW HANNAH PILARCZYK

taz: Frau Kronzucker, das „Nachtjournal“ ist vor kurzem zwölf Jahre alt geworden, heute läuft die 3.000. Sendung. Was sind die geläufigsten Klischees über die Sendung, die sich in dieser Zeit heraus gebildet haben?

Susanne Kronzucker: Vielleicht dass wir nur was für schlaflose Typen sind, dass Spätnachrichten sowieso schlechte Quoten und wenig Zuschauer haben. Und dass Spätjournale nur noch den letzten Aufwasch des Tages bringen können.

Und was stimmt davon?

Nichts. Wir senden für aufgeweckte Leute, die lang wach sind. Unsere Zuschauer wollen schon einen ersten Ausblick auf den kommenden Tag, und um genau das bemühen wir uns: nicht so sehr auf den vergangenen Tag zurückzuschauen, sondern die Themen weiterzudrehen mit Blick auf die Entwicklung. Und mit weit über einer Million Zuschauer im Durchschnitt haben wir sowohl ein großes Publikum als auch eine gute Quote.

Was unterscheidet das „Nachtjournal“ von anderen Spätnachrichten?

Zunächst sind wir ein Dauerbrenner – uns gibt es einfach am längsten. Außerdem sind die anderen Spätnachrichten nie so pünktlich wie wir. Das würde ich als die „hausgemachten Vorteile“ des „Nachtjournals“ bezeichnen. Was wir speziell versuchen zu machen, ist, die Leute – aber minütlich! – davon abzuhalten, ins Bett zu gehen. Wir denken gar nicht so sehr an die Konkurrenz – was die machen und was wir dagegen setzen müssen. Wir überlegen vielmehr, was dem Zuschauer noch um Mitternacht einen Mehrwert bietet.

Was wäre so ein Mehrwert?

Wirtschafts- und Politikthemen laufen immer gut. Unterhaltsamere Beiträgen sind schwieriger, da müssen wir stets etwas besonders Witziges oder viel Diskutiertes liefern. Eine einfache Kinopremiere reicht nicht aus, um die Zuschauer bis zum Ende zu halten.

Stichwort Unterhaltung: Studien zufolge haben RTL-Nachrichten, speziell „RTL aktuell“, im Vergleich den geringsten Politikanteil. Die „Tagesschau“ weist fast einen doppelt so hohen Anteil auf. Wie gehen Sie als politische Journalistin damit um?

Ich glaube, das „Nachtjournal“ bildet da eine Ausnahme. Jeder weiß, dass die RTL-Mittagsnachrichten sehr magazinös sind und oft leichtere Themen abdecken. Mit „RTL aktuell“ kommt um 18.45 Uhr unsere Hauptnachrichtensendung – und dann erst mal bis zum „Nachtjournal“ nichts. Andere Sender, besonders die öffentlich-rechtlichen, haben bis dahin noch andere Journale zu Ausland, Innenpolitik oder Wirtschaft. Das haben wir bei RTL nicht in dem Maße. Dafür gibt es dann bei uns sehr viel Politik und Wirtschaft.

Gerade das Sender-Umfeld ist aber entscheidend dafür, wie seriös Nachrichten eingeschätzt werden.

Wollen Sie darauf hinaus, ob ich lieber in einem anderen Umfeld senden würde? Ehrlich gesagt: nein, das würde ich nicht. Ich finde es wunderbar, dass wir bei einem Sender wie RTL die Möglichkeit zu so einer Sendung haben. Tatsächlich könnte man eine ähnliche Sendung wie das „Nachtjournal“ auch bei ARD oder ZDF machen. Wenn ich mir anschaue, wie die Öffentlich-Rechtlichen gerade ihre Nachtschiene umbauen, neue Moderatorinnen platzieren und ihre Sendungen umstrukturieren, dann finde ich, dass die sich eher an uns orientieren und wie wir ausprobieren, Dinge pointierter und frecher umzusetzen. Deshalb sehe ich für mich keinen Unterschied, ob ich so eine Sendung bei uns oder einem öffentlich-rechtlichen Sender mache.

Bei ARD und ZDF haben die Anchormen Uli Wickert und Claus Kleber die Möglichkeit, lange Reisen für Reportagen zu machen. Neidisch, dass so etwas bei RTL keinen Platz hat?

Nein, so etwas deckt bei uns Peter Kloeppel ab. Ich selber bin familiär so eingebunden, dass ich nicht für längere Zeit wegfahren könnte.

Warum ist der Politik- und Informationsbereich bei RTL so stark auf Peter Kloeppel ausgerichtet? Wie die meisten Sender will doch auch RTL mit seinen Nachrichten mehr Frauen ansprechen.

Also, mit dem „Nachtjournal“ sprechen wir die Frauen schon an – wir haben einen Frauenanteil von über 50 Prozent. Was die Konzentration auf Peter Kloeppel angeht: Bislang hatte ich nicht das Bestreben, als zweite Kraft neben ihn zu treten. Als ich die Moderation des „Nachtjournals“ von Heiner Bremer übernahm, hatte ich einiges mit dem „Nachtjournal“ vor, wovon mir das meiste geglückt ist. Viele der großen politischen Interviews werden zum Beispiel im „Nachtjournal“ geführt – in den Hauptnachrichten könnten die in dieser Länge gar nicht auftauchen.

Was sind die geläufigsten Klischees über Sie selbst?

Wegen meines Vaters (Journalist und Moderator Dieter Kronzucker, Anm. d. Red.) heißt es noch ziemlich oft: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“. Außerdem gilt irgendwie, ich sei mit dem „Nachtjournal“ „erwachsen“ geworden. Das bin ich aber bereits mit der Moderation von „RTL aktuell“ geworden. Und dann hat mich lang ein Statement des damaligen RTL-Chefs Hansi Mahr verfolgt. Der hat zu meinem Antritt beim „Nachtjournal“ verkündet, ich sei die erotischste Nachrichtenfrau im deutschen Fernsehen. Danach bin ich zu ihm hin und habe mich beschwert – für eine seriöse Nachrichtensendung ist so eine Ansage doch albern. Da ich aber weiß, dass ich ernst genommen werde, können mich die Leute auch gern erotisch finden.