Utopie Demokratie

ORTSTERMIN Tausende Aktivisten feiern in Zagreb. Ihr Ziel: Solidarität mit Südeuropa

In knapp zwei Wochen wird Kroatien der EU beitreten. Auf dem Jelasic-Platz in Zagreb, umgeben von prunkvollen Häusern, werben Parteien für die Kommunalwahlen. Einzig um einen Stand mit der Aufschrift „Im Namen der Familie“ scharen sich Menschen. Hier werden Unterschriften für ein Referendum gesammelt, das die Ehe in der Verfassung als Verbindung zwischen Mann und Frau definieren soll. Das ist der eine Teil Kroatiens.

Der andere ist nicht einmal fünf Gehminuten entfernt. Am „Kino Europa“, einem sozialistischen Funktionalbau, hängt ein Plakat. Eine rote Europa mit einer roten Fahne in der Hand reitet auf einem rotem Stier. Darunter steht „6. Subversive Festival 4. bis 18. Mai – Die Utopie der Demokratie“.

Oliver Stone ist auch da

Über 300 Menschen aus dem linken, grünen und alternativen Spektrum reisten nach Kroatien, um an dem Festival teilzunehmen, etwa Alexis Tsipras vom griechischen Linksbündnis Syriza und der US-Regisseur und Oscar-Preisträger Oliver Stone. Sie diskutierten mit knapp 20.000 Besuchern zu Themen wie „Der Balkan in- und außerhalb der EU“, es liefen über 50 Filme.

„Das erste Subversive 2008 war ein kleines Filmfestival mit ein paar Vorträgen,“ erklärt Srecko Horvat. Der 30-jährige Philosoph leitet Subversive. „Heute wollen wir eine Verbindung zwischen den Ländern der EU-Peripherie und eine neue Solidarität zwischen Nord- und Südeuropa.“ So haben im vergangenen Jahr die Subversive-Leute das „Balkan Forum“ gegründet – ein Netzwerk linker und grüner Aktivisten aus ganz Europa. „Auch Deutsche und Franzosen sollen sich mit den Menschen in den Krisenstaaten solidarisieren“, sagt Horvat.

Die Grünen auch

Einige Subversive-Gäste sind in den Sprachblasen des traditionellen Sozialismus gefangen, als hätte es Stalin, Breschnew und Gorbatschow nie gegeben. Andere klingen eher wie die deutschen Grünen. Dazu passt, dass die Rosa-Luxemburg- und die Heinrich-Böll-Stiftung das Festival unterstützen.

„Subversive zeigt, dass sich hier etwas verändert“, sagt Vesna Jankovic. Als in den 1990ern in Kroatien gekämpft wurde, leitete die 50-jährige Soziologin ARKzin, die Zeitung der kleinen kroatischen Antikriegskampagne. „Jetzt reden endlich wieder Leute über Marxismus, Krise, Emanzipation, Feminismus, Ökologie. Über richtige Themen.“

Paul Stubbs (51) aus Liverpool nennt sich einen „beteiligten Beobachter“ der Antikriegsbewegung. Er ist Bewegungsforscher und lebt seit 1993 in Kroatien. Von einem Job bei einer von ausländischen Spendern finanzierten Initiative könne man zwar die Wohnung bezahlen, sagt er. „Aber die Fokussierung auf Sozialarbeit führt zu einer völligen Entpolitisierung.“

Die Organisatoren und Gäste des Subversive Festivals sind zwar mit der alten Antikriegsszene und den NGOs verbunden – aber sie begnügen sich nicht mit einem Stück vom Kuchen. Sie wollen die Kontrolle über die Bäckerei. RÜDIGER ROSSIG, ZAGREB