Nie wieder Streifenluder

GESCHLECHTERSIGNALE Was führt die Straßenverkehrsfrau im Schild?

Vorbei die Zeit von schippenden Bauarbeitern mit Schiebermütze

Der Geschlechterkampf ist in eine neue Phase getreten: „Neue Schilder haben kein Geschlecht“ meldet die Ahlener Zeitung kategorisch. Das stimmt so noch nicht ganz, aber die seit 1. April geltende neue Straßenverkehrsordnung (StVO) stürmte sprachlich schon einmal voran und beschwor hölzern „die Erfordernis der sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern.“ Leider schickt sie ihre Leser dazu auf eine schlaglochgepflasterte Nebensatzstrecke. Ein Fußgänger wird in der StVO zu einem nebulösen „wer zu Fuß geht“ und aus dem Fahrradfahrer wird „jemand, der ein Fahrrad führt“. Müsste das nicht „jemand, der/die ein Fahrrad führt“ heißen? Warum die genderpolitischen Hilfstruppen Ramsauers nicht schlicht von Fußgängern und Fußgängerinnen sprechen, bleibt im Sprachgestrüpp des neuen Schilderwaldmeisters verborgen.

Doch wie steht es um die bildliche Gleichbehandlung von Männern und Frauen? Im Wirtschaftswunderland gab es Kühe, Autos und munter schippende Bauarbeiter auf Straßenschildern zu sehen, nur eines nicht: Frauen! Das einzige weibliche Wesen war auf dem Achtung-Kinder-Schild zu entdecken, wo die große, bezopfte Schwester ihren kleinen Bruder Hänsel entschlossen durch den Schilderwald führt. Die männliche Vorherrschaft auf den Straßenschildern sollte erstmals zu Anfang der siebziger Jahre angekratzt werden, als auf dem blauen Gehweg-Schild ein böser Onkel entdeckt wurde: Kreisch, ein Mitschnacker! Was Hamburgisch für Kinderverführer ist. Der Verdächtigte wurde umgehend durch eine Frau ersetzt, die das verängstigte Kind fortan an die Hand nahm. Gut so! Die abgehalfterten Onkel zogen sich verbittert nach Österreich zurück, wo sie bis heute ihren zwielichtigen Dienst auf Straßenschildern versehen.

In Deutschland waren die Schilderfrauen nicht mehr aufzuhalten, sie durften die Fußgängerinnenzonen und die Wanderinnenparkplatzschilder illustrieren. Dabei fiel übrigens lange niemandem auf, dass es nicht Wanderparkplatz, sondern Wandererparkplatz heißen muss, denn schließlich wandern ja nicht die Parkplätze, sondern die Parkenden.

Und in der Welt des Wanderns und des Wandels veränderte sich im Jahr 1992 auch die sicher geglaubte Welt der Schilder durch eine einschneidende Kulturrevolution, die der chinesischen an Barbarei nur wenig nachstand: Mit der Einheit Deutschlands wurden uns 88 neue Schilder beschert, auf denen wurstförmige Unisex-Figuren ihr Unwesen trieben! Vorbei die Zeit von schippenden Bauarbeitern mit Schiebermütze und dem Mann mit Hut, der zügig den Zebrastreifen überquert. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hatte ihre hauseigenen Grafiker an den Zeichentisch gebeten, um Geld für teuere Urheberrechtsforderungen zu sparen, wie die ADAC-Motorwelt seinerzeit kritisch bemerkte. Heraus kamen infantile Unisex-Klone ohne jede Persönlichkeit! Alles Geschlechtliche wurde gnadenlos entfernt, sogar die Kühe vom Viehtrieb-Schild wurden enteutert!

Die menschlichen sexlosen Schilder-Zombies tragen alle Pullover und lange Hose, Kopfbedeckungen sind nicht erwünscht, nur der glatte Unisex-Biker trägt den obligatorischen Integral-Helm. Auch die einst so unternehmungslustigen Protagonisten vom Wanderpfad-Schild verloren Hut und Pferdeschwanz und wurden zu Kugelkopfclowns.

Um sich heutzutage über sinnliche „Verkehrszeichen mit Brüsten“ aufzuregen, muss der Autobild-Reporter heutzutage immerhin bis ins schwedische Uppsala fahren. Dort hat die Stadtverwaltung Schilder mit erkennbaren Frauen aufgestellt. Das bescherte den Boulevardlesern dann die deftige Bild-Unterzeile „Weg mit dem Zebra-Flittchen!“ Streifenluder hätte auch gut gepasst.

Gut, dass uns Männern ein letztes männliches Symbol im geschlechtslosen Schilderwald geblieben ist: Das Vorsicht-vor-denen-die-ein-Fahrrad-führen-Schild zeigt immer noch ein Herrenfahrrad! KRIKI