Zoff ums Schmock

„Deutsche, esst bei Juden!“ In München wirbt ein Restaurantbesitzer mit Anspielungen auf die Boykottaufrufe der Nazis. Er ist selbst Jude – und will in einer Stadt provozieren, die er für eine „Oase der Oberflächlichkeit“ hält. Das ist ihm gelungen

AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER

„Deutsche, esst bei Juden!“ – „Deutsche, trinkt bei Juden!“ – „Deutsche, feiert bei Juden!“ Diese drei Slogans hängen im Münchner Szenerestaurant Schmock – und führen in der Stadt zu heftigem Streit. Sind sie ein bewusst überzogener und beispielgebender Anstoß, um das Verhältnis zwischen Juden und Deutschen zu normalisieren? Eine unpassende Werbemaßnahme? Oder verletzen die Plakate die Gefühle der Menschen, die das gegenteilige, aber ähnlich klingende „Deutsche, kauft nicht bei Juden ein“ aus der Nazizeit in den Ohren haben?

Marian Offman, Vorstandsmitglied der Münchner Israelitischen Kultusgemeinde, empfindet so: „Wie kann man so einen Slogan, der das Zusammenleben pervertiert hat, heute derart auf die Spitze treiben?“ Für sie ist es eine „Sache der Pietät“, solche Plakate nicht aufzuhängen.

Die Kritik lässt Schmock-Geschäftsführer, Florian Gleibs, nicht gelten. „Ich habe noch keine Kritik bekommen von jemandem, der persönlich den Vergleich mit Nazi-Plakaten ziehen kann, die würde ich dann verstehen.“ Gleibs ist Jude, aber nicht streng gläubig. Er ging zwar zeitweise in Israel zur Schule, war aber erst einmal in der Münchner Synagoge und lebt nicht koscher: „Ich bin Deutscher.“ Das ist einer der Gründe, wieso Gleibs provozieren möchte. „ ‚Deutscher‘ ist leider manchmal noch genauso ein Schimpfwort wie ‚Jude‘. Und ich bin beides.“

Der 34 Jahre alte Gleibs geht ungewöhnlich mit den Konflikten um, die das Judentum sonst in Atem halten, nicht nur bei den Wandplakaten. Ein Arafat-Porträt ziert die Pfeffermühle, und auf der Speisekarte stehen auch arabische Speisen. „Wieso nicht? Meine Familie stammt aus dem Irak, und die arabische Küche ist nicht zu verachten.“ Jude zu sein heißt für Gleibs „pro Israel“ zu sein und hat nicht zwingend etwas mit Religion zu tun. Spöttisch, aber auch etwas genervt sagt er Sätze wie: „Wir sind die S-Klasse unter den Minderheiten, und die Deutschen lassen uns da auch nicht raus.“

An den Tischen wird der Umgang mit solchen Themen entweder vermieden. „München ist manchmal eine Oase der Oberflächlichkeit“, meint Gleibs dazu. Oder es wird kontrovers diskutiert. Die zumeist römisch-katholischen Gäste, die den Lokalchef ein wenig kennen, schätzen seine Haltung: „Es ist gut, dass er sich nicht den Zwängen unterwirft, aber die Kampagne ist gar nicht notwendig: Wir essen, trinken und feiern doch sowieso schon hier.“ Die – ebenfalls zumeist römisch-katholischen – Gäste ohne Hintergrundwissen sehen die Sprüche kritischer: „Was soll das erreichen? Wieso hier in einem Lokal, das doch eigentlich neutral sein sollte? Und überhaupt, das Verhältnis zwischen Juden und Deutschen ist doch ganz normal.“

Das findet Florian Haller nicht. „Die Deutschen haben immer noch Berührungsängste bei dem Wort Jude – teils unbegründet, aber aus der Historie heraus dann doch wieder sehr verständlich.“ Haller ist Chef der Münchner Werbeagentur Serviceplan, die unter anderem für das ZDF oder Hexal arbeitet – und eben auch für das Schmock. Zwei seiner Kreativen haben die Plakate gestaltet, allerdings unter eigenem Namen. „Das Thema und die Umsetzung polarisieren sehr stark, da tut der Name einer Agentur nicht gut.“ Haller glaubt, dass die Kampagne Marketing für das Lokal ist, aber auch das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden voranbringt. „Natürlich ist es nur ein ganz kleiner Baustein, etwa im Vergleich zum gerade entstehenden Gemeindezentrum. Aber auch die Plakate zeigen: Juden sind ein Teil unserer deutschen Gesellschaft.“