Handelskammer schwenkt um

SCHULSTREIT Verhandlungen doch nicht abgebrochen. Handelskammer schlägt dreijährigen Schulversuch vor. Reform-Befürworter: Das ist nicht praktikabel

Die Handelskammer hat einen Kompromissvorschlag mit acht Punkten erarbeitet. Er soll als Vereinbarung für zehn Jahre gelten, wenn drei der vier Bürgerschaftsparteien sich dazu verpflichten.

■ Schulversuch: Statt wie geplant 162 würden im Herbst 2010 nur 50 Primarschulen starten, die bis 2012/13 auch nach „Output-Größen“ evaluiert werden. Sind sie erfolgreich, werden 2014 alle Grundschulen Primarschulen.

■ Elternwahlrecht: Bis 2014 würde das Elternwahlrecht nach Klasse 4 gelten, danach das Elternwahlrecht nach Klasse 6. KAJ

Auch am Dienstag gab es keinen Durchbruch bei den Verhandlungen zwischen Senat und Schulreformgegnern. Doch der von Beobachtern erwartete Abbruch kam auch nicht. Stattdessen traten die beiden Fraktionschefs Jens Kerstan (GAL) und Frank Schira (CDU) nach nur zwei Stunden mit „Wir wolle lernen“-Sprecher Walter Scheuerl vor die Presse und erklärten, man bewege sich „aufeinander zu“. Nächsten Freitag gehe es weiter.

Vor Beginn der Sitzung war ein optimistisch gestimmter Walter Scheuerl ins Rathaus gekommen. Anlass ist ein aus seiner Sicht „sehr interessanter“ Vorschlag von Handelskammer-Präses Frank Horch zur Lösung des Schulstreits. Statt wie geplant gleich flächendeckend sollten 2010 zunächst nur 50 Grundschulen Primarschule werden, darunter die so genannten 24 Starterschulen und 26 weitere, „die auf freiwilliger Basis gefunden werden“. Dies entspricht dem bisherigen Scheuerl-Vorschlag. Neu daran: Statt nach sechs Jahren würde schon 2013 nach drei Jahren ein Institut den Lernstand der Kinder evaluieren. Fiele dies positiv aus, würde die Reform flächendeckend eingeführt.

Für die schwarz-grüne Koalition war dieser Vorstoß eine böse Überraschung. Hatte die Handelskammer doch bisher die von Moderator Michael Otto formulierte Linie vertreten, dass eine Reform nur flächendeckend sinnvoll sei, wohl aber an bestimmte Qualitätskriterien wie kleine Klassen geknüpft werden müsse.

Jens Kerstan und Frank Schira äußerten sich nicht zu dem Horch-Vorschlag. „Wir sind gerade dabei, Brücken zu bauen, über die man nachher steigen muss“, sagte der GAL-Fraktionschef, ohne konkret zu werden. Er räumte ein, in der Frage, ob die Reform verbindlich oder flächendeckend eingeführt werde, sei man „immer noch auseinander“.

Geeinigt hätten sich beide Seiten darauf, dass eine geplante Expertenkommission nur mit Kandidaten besetzt wird, die beide Seiten akzeptieren. Auf der Sitzung am Freitag wolle man über „Wege der Lernstandserhebung“ sprechen. Kerstan: „Beide Seiten haben Hausaufgaben zu lösen.“

Der Verein „Chancen für alle“ zeigte sich entsetzt und nannte den Horch-Vorschlag „nicht praktikabel“. „Eine seriöse Output-Untersuchung ist nach zwei Jahren überhaupt nicht möglich“, erklärte der zweite Vorsitzende Wolfgang Dittmar. Es werde keine Schule geben, die sich auf den Weg mache, wenn permanent „das Damokles-Schwert einer nicht durchführbaren Output-Untersuchung über ihr hängt“. KAIJA KUTTER