„Auf Veränderung drängen“

Schorsch Kamerun über den anarchistischen Geist

■ Autor, Theaterregisseur und Mitbetreiber des Golden Pudel Clubs, ist Sänger der Goldenen Zitronen.  Foto: dpa

taz: Herr Kamerun, warum machen Sie eine Hommage an Jules Vallés?

Schorsch Kamerun: Jules Vallés ist einer der wichtigen Protagonisten der Pariser Commune. Für mich steht er in einer Linie von Leuten, die ganz vehement auf Veränderung drängen, weil sie bestimmte Sachen nicht mehr aushalten und denen das in einer Zeit, wo eine Offenheit eintritt, auch gelingt.

Mit Jules Vallés eröffnen Sie die Reihe „Die Untüchtigen“. War Vallés untüchtig?

In dem Buch, aus dem wir zum Teil vorlesen werden, beschreibt er den vorgezeichneten Weg: Lern was, bilde dich, dann kannst du anfangen zu arbeiten, das ist dann der Ernst des Lebens und so kommst du auch durch. Und er hat verstanden, dass er da „anders“ mit umgehen muss, und sich sozusagen zu einem Untüchtigen gemacht. Vielleicht haben wir uns, als wir angefangen haben, in unserer jugendlichen Naivität auch so gefühlt, weil wir als Punker verstanden haben: wir wollen den Weg so nicht gehen.

War Vallés aber politisch nicht durchaus tüchtig? Da muss man doch erst mal hinkommen, die Gelegenheit zur Intervention zu erkennen.

Das Bewusstsein kann ja durchaus im Untüchtigen heranreifen. Die Zeit war eine, in der man möglicherweise zum Untüchtigsein gezwungen wurde, weil man alles andere nicht aushalten kann. INTERVIEW: LENA KAISER

20 Uhr, Lesung und Konzert mit Thomas Ebermann, Schorsch Kamerun, Rocko Schamoni und Frank Spilker im Übel & Gefährlich