Schmarotzer tot – na und?

Rassistische NSU-Ermittler

Was verrät der Sprachgebrauch über die Haltung des Sprechers? Und wie sorgfältig müssen Polizisten formulieren? Klar ist seit dieser Woche: Ein Mordopfer in Polizeiakten als „Schmarotzer“ zu bezeichnen, ist mindestens geschmacklos. Wenn sich hinterher herausstellt, dass die Mörder militante Neonazis waren und die Polizei jahrelang in alle möglichen falschen Richtungen ermittelt hat, müssen die Ermittler sich den Vorwurf gefallen lassen, voreingenommen zu sein.

Passiert ist das alles in Hamburg. Der Gemüsehändler Süleyman Tașköprü wurde 2001 in seinem Laden von der Nazi-Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) mit drei Kopfschüssen hingerichtet. Und die Polizei tat, was sie halt so tut bei „Ausländerkriminalität“: Sie klopfte die Tatbestände Raub, Drogenhandel und organisierte Kriminalität ab. Sie wühlte in Tașköprüs Umfeld, bis ihn ein Bekannter als „Schmarotzer“ bezeichnete, weil er weniger Geld hatte als seine Freunde – und übernahm den abwertenden Terminus in die Ermittlungsakten, durch Gänsefüßchen nur notdürftig kaschiert. Dass das nicht geht, hat inzwischen auch die Polizei eingesehen: Ein Polizeizeuge hat sich im Bundestags-Untersuchungsausschuss zum NSU dafür entschuldigt.

Angela Wierig, Rechtsanwältin von Tașköprüs Hinterbliebenen, vermutet rassistische Voreinstellungen bei den Ermittlern: „Ich denke, wenn die Familie deutsche Wurzeln gehabt hätte, wären die Ermittlungen anders geführt worden“, sagt sie. Die Äußerung könnte allerdings erklären, warum so schlampig ermittelt worden sei, sagt die Anwältin: „Ein ,Schmarotzer‘ weniger – wen interessiert es.“

Dass die Ermittlungspannen bei der NSU-Mordserie Zufall sind, hält auch der Hamburger Landesvorsitzende des türkisch-islamischen Gemeindeverbands Ditib, Zekeriya Altu, für „schon statistisch nicht möglich“. Der promovierte Physiker wird deutlich: „Dieser antimuslimische Rassismus belastet das Miteinander von Muslimen und Mehrheitsgesellschaft.“  AS/JANK