Billigabriss durch Billiglohnfirma

Das Bauunternehmen, das die Ausschreibung für den Abriss des Palasts der Republik gewonnen hat, soll laut IG BAU bei öffentlichen Aufträgen Lohndumping betrieben haben. Senatorin Junge-Reyer sieht dennoch keinen Handlungsbedarf

VON UWE RADA

Den gestrigen Tag wird Ingeborg Junge-Reyer (SPD) nicht in guter Erinnerung behalten. Pünktlich zur Bekanntmachung der Stadtentwicklungssenatorin über Einzelheiten zum Abriss des Palasts der Republik machte die Industriegewerkschaft BAU anderes publik: Die Firma Ludwig Freytag, die die Ausschreibung für die Abrissarbeiten gewonnen hat, soll bei öffentlichen Aufträgen in der Vergangenheit Dumpinglöhne bezahlt haben. Für den Geschäftsführer des Berliner Landesverbands der Gewerkschaft, Rainer Knerler, steht deshalb fest: „Ich glaube nicht, dass das Unternehmen seriös ist und den Auftrag verdient hat.“

Angesichts solcher Vorwürfe blieb der Senatorin nichts anderes übrig, als sich in Beteuerungen zu flüchten. „Für den Palast-Abriss hat die Firma eine Tariftreueerklärung unterzeichnet“, versicherte Junge-Reyer. Zudem ginge das Hauptzollamt den von der IG BAU geäußerten Vorwürfen nach. Eine Überprüfung der Vergabe, wie von der Gewerkschaft gefordert, lehnte sie ab.

Insgesamt soll der Abbruch des Palasts, der mit den Baustelleneinrichtungen noch im Januar beginnen wird, 12 Millionen Euro kosten. Das sind 8 Millionen weniger als ursprünglich veranschlagt. „Diese Summe werden wir aber nur einhalten, wenn es zu keinen außergewöhnlichen Problemen kommt“, betonte die Senatorin. Was auf den ersten Blick recht günstig daherkommt, erweist sich auf den zweiten als Mogelpackung: Anders als bei den ursprünglichen Kalkulationen, die nach dem Abrissbeschluss des Bundestags 2003 angefertigt wurden, ist der Abbruch der Tiefgeschosse nun nicht mehr im Preis enthalten. Dieser zusätzliche Abriss wird, so räumte gestern Hartmut Kalleja ein, der für das Vorhaben als Bauingenieur verantwortlich zeichnet, „noch einmal so teuer werden wie die jetzigen Maßnahmen“.

Darüber hinaus wollte Kalleja nicht einmal versichern, dass auf der Bodenwanne des Palasts, die bei den Maßnahmen erhalten bleibt, tatsächlich das geplante Humboldt-Forum mit den barocken Schlossfassaden gebaut werden könne.

Insgesamt sollen die Bauarbeiten bis Ostern 2007 dauern. Der Großteil des Schutts wird dabei über die Spree abtransportiert. Dafür wird, wie die Senatorin versicherte, ein eigenes Hafenmanagement eingerichtet. Der private Schiffsverkehr solle nicht behindert werden.

Angesichts der Schwierigkeiten mit der Gegenwart blieb Junge-Reyer gestern nur der Blick nach vorne. „Keine grüne Wiese“ solle anstelle des Palasts entstehen, aber auch keine „Verlängerung des Lustgartens“. Stattdessen entstünde auf dem Gelände neben einer Nutzung als Grünanlage auch eine „Humboldt-Box“, in der die Geschichte des Ortes ausgestellt werde. Im oberen Geschoss der Box gebe es dann auch ein Dachrestaurant.

Die Schloss-Gegner waren unterdessen auch nicht müde. In einer Zeitungsanzeige sprachen sich über 600 Unterzeichner gegen den Abriss des Palasts zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus. Ein entsprechendes Votum des Bundestags am kommenden Freitag erwarten aber auch sie nicht mehr. Zumindest eine Gewissheit bleibt der Stadtentwicklungssenatorin also: „Die Zeit für den Abriss ist gekommen.“