der scheibe-wischer (2)
: Come on, let’s fly!

Zwischen den Jahren gewährt der Rechtsberater der taz, Peter Scheibe, einen Einblick in die Abgründe des deutschen Presserechts

Präsent war sie schon immer, gesehen hat sie bis zu diesem Jahr niemand, jedenfalls nicht die breite Öffentlichkeit: die Schleichwerbung. Doch dann war sie auf einmal überall. Ein praktisches Beispiel: Im Zusammenhang mit dem befürchteten Ausfall der Love Parade war im Berliner Lokalteil der taz in der Rubrik „Was macht eigentlich ... die Love Parade?“ zu lesen: „Sich dünne“. Weiter hieß es: „Bei einem Scheitern der Parade könnte das Gleiche (Geldmangel, Anm. d. Red.) auch einer anderen Branche widerfahren: der Billigfliegerei. Rund um das Paraden-Wochenende sei ein gestiegenes Buchungsinteresse registriert worden, heißt es bei EasyJet. Die Befürchtung: Fällt die Parade aus, bleiben die Teenies zu Haus.“

Preisfrage: Handelt es sich um eine „Geschichte über Easyjet“ oder nicht? Für die Berliner Zeitung lautete die Antwort eindeutig „ja“. Das Verlangen, nach wochenlanger Debatte über die Auswüchse im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auch die eigene Branche zu untersuchen, war ja durchaus verständlich. Erst recht, wenn man bei einem unabhängigen Qualitätsblatt wie der taz fündig zu werden glaubt.

Überbringer der guten Nachricht war ein gewisser Wolfgang Hünnekens, seines Zeichens Geschäftsführender Gesellschafter bei der Agentur Publicis in Berlin. Im Interview mit der Berliner Zeitung ließ er verlauten, dass er Bascha Mika, der Chefredakteurin der taz, einige Wochen zuvor eine Wette angeboten habe. Höchstens eine Woche brauche er, bis eine Geschichte über Easyjet in der taz wäre. Wenige Tage habe es gedauert. Bei der taz mussten keine Recherchen angestellt werden, um den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung zu überprüfen. Die taz zog vor Gericht, als die Berliner Zeitung die begehrte Gegendarstellung nicht veröffentlichen wollte.

Erstaunlich war, mit welcher, nun ja, Kreativität die Berliner Zeitung die von ihr verbreitete Behauptung belegen wollte. Als „Geschichte über Easyjet“ sollte laut Berliner Zeitung „jegliche positive Erwähnung“, also auch die bloße Namensnennung, herhalten. Negative Berichterstattung würde Agenturkunden auch nicht stören, sondern als PR-Leistung bereitwillig entlohnt.

Schaut man sich die Branchengepflogenheiten an, entspricht das sogar der Wahrheit. Denn den Zusammenhang zwischen einer lancierten PR-Botschaft und einem angeblich darauf basierenden redaktionellen Artikel kann man leicht behaupten. Sämtliche Artikel der taz zu Easyjet basierten jedoch auf Meldungen renommierter Nachrichtenagenturen. Das Landgericht Berlin bescheinigte daher der taz-Berichterstattung zu Easyjet einen negativen Zusammenhang oder eine beiläufige Erwähnung des Billigfliegers.

Wie aber hält es die Berliner Zeitung mit Easyjet? Ihr Sommerfahrplan 2005 für den Straßen- und Flugverkehr in Berlin gab wie folgt Auskunft: Das einzige Farbfoto in der Rubrik „Flugpläne“, eines der größten Fotos auf 60 Seiten und prominent auf der Umschlagrückseite platziert, zeigt zufriedene Reisende ihrem Flieger entgegenziehen. Herausstechend zu sehen ist das orange-weiße Firmenlogo von Easyjet, ergänzt um den Werbeslogan „Come on, let’s fly!“