Ich bin jetzt eine Frau

TRANSGENDER Die Protagonistinnen von Michiel van Erps Doku „I Am a Woman Now“ wurden vor 40 Jahren noch illegal operiert

Sie heißen Corinne, Bambi, Colette, April und Jean. Sie alle sind Frauen. Sie alle riskierten ihr Leben – in der Hoffnung nach einem besseren. Sie alle gingen zwischen den Sechzigern und Siebzigern nach Casablanca und ließen sich von Dr. Georges Burou von Männern in Frauen umwandeln. Und sie sind die Protagonistinnen von Michiel van Erps Dokumentarfilm „I Am a Woman Now“.

Langsam, sensibel und mit einer beeindruckenden Schlichtheit begegnet Erp diesen Frauen. Der niederländische Regisseur verzichtet auf unnötige Inszenierung und vertraut seinen Protagonistinnen, die bezaubernder nicht sein könnten. „Ich war früher nicht Corinne. Nein, ich war Cornelis. Ich bin eine Transgender-Frau, ein Hormonmädchen“, sagt die Belgierin zu einer Freundin.

Die von Erp porträtierten Frauen waren die ersten, die illegal in Casablanca die Operationen vor über 40 Jahren durchgezogen haben – oft gegen den Willen ihrer Eltern. „An Heiligabend sagte meine Mutter, ich solle das Haus verlassen und nie wieder zurückkommen. Daran hielt ich mich“, sagt April und trinkt ein Glas Champagner. Von dieser inneren Zerrissenheit sprechen alle Frauen, von den Problemen mit sich und der Gesellschaft, von den Problem der Identitätsfindung, von den Problemen mit der Liebe und dem Sex – all das beschreibt van Erp, ohne voyeuristisch oder effekthascherisch zu agieren.

Die Frauen sind jedoch keineswegs verbittert. Sie alle bereuen die Operation nicht – im Gegenteil. Sie sind auch keine Opfer, sondern charmante, starke und tolle Frauen. Wer in der Dokumentation fehlt, ist der famose Doktor Burou. Er ist bereits verstorben und kommt nicht mehr zu Wort – stattdessen trifft aber April seinen Sohn. Aus den Erzählungen entsteht dennoch das Bild eines exzentrischen Manns, der seine Lederschürze auf nacktem Oberkörper wie ein Metzger trug und zu Corinne sagte: „Meine Kleine, wir machen dir eine hübsche kleine Muschi. Sie wird klein, aber niedlich.“ In „I Am a Woman Now“ hat Corinne die Möglichkeit, sich zu verabschieden. Sie geht zum Grab des Doktors und sagt: „Sie haben uns alle sehr glücklich gemacht. Mich und meine Schwestern im Geiste.“

ENRICO IPPOLITO

■ „I Am a Woman Now“. Regie: Michiel van Erp. Mit April Ashley, Colette Berends, Jean Lessenich, Marie-Pierre Pruvot, Corinne van Tongerloo. Niederlande 2012, 80 Min.