Anschläge auf Berliner Politiker: Kopf oder Zahl

Damit Politiker in ihrem privaten Umfeld seltener bedroht werden, soll bei Wahlen von ihrer Adresse nur noch die Postleitzahl veröffentlicht werden.

Politiker, die in rechten Hochburgen wie Berlin-Schöneweide wohnen, leben gefährlich. Bild: dpa

Mitten in der Nacht splitterte in der Reihenhaussiedlung in Adlershof Glas. Kurz darauf gab es einen lauten Knall. Als der Linken-Politiker Hans Erxleben aus der Tür trat, konnte er die gegenüberliegenden Häuser kaum sehen, so viel Rauch lag in der Luft. Auch die Nachbarn kamen besorgt auf die Straße. Es stellte sich heraus: Jemand hatte einen Stein in ein Fenster seines Wohnhauses geworfen und seinen Briefkasten gesprengt.

So schildert Erxleben die Ereignisse von vor drei Jahren. Auch danach wurde auf rechten Flugblättern oder Internetseiten gegen den Bezirksverordneten in Treptow-Köpenick gehetzt. „Ich bin Vorsitzender des Integrationsausschusses und deshalb Zielscheibe“, sagt er. Zuletzt fackelten ihm Unbekannte im Januar dieses Jahres das Auto ab.

Immer wieder gibt es Einschüchterungsversuche oder Drohungen gegen Politiker in deren privatem Umfeld. Bisher war es kein Problem, die Anschrift herauszubekommen: Bei jeder Wahl wurden die Kandidaten für das Landes- wie für die Bezirksparlamente im Amtsblatt, das auch online erscheint, mitsamt ihrer Adresse aufgeführt.

Das soll sich ändern. Ende März entschied der Innenausschuss des Parlaments mit Unterstützung aller Fraktionen, dass in Zukunft nur noch die Postleitzahl verpflichtend öffentlich gemacht wird. Damit die Bürger Kontakt zu den Politikern aufnehmen können, soll es eine „Erreichbarkeitsadresse“ geben.

„Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber erfahren zunehmend Eingriffe in ihre Privatsphäre“, heißt es in der Begründung des Antrags, der eine Änderung der Landeswahlordnung vorsieht. Es würde nicht nur umfangreiche Werbung an ihre Wohnadresse geschickt, sondern vermehrt auch Drohbriefe; zudem würden Wände und Türen beschmiert.

„Wenn man in die Politik geht, muss man ein gewisses Maß an Kritik ertragen“, sagt Peter Trapp (CDU), Vorsitzender des Innenausschusses. Die Kritik müsse aber mit dem Amt verbunden sein und nicht mit dem Privatleben. „Die Leute können gerne vor dem Bürgerbüro demonstrieren, aber nicht bei mir zu Hause, wo ich gerade Geburtstag feiere.“ Für Trapp gaben auch Proteste gegen seinen Parteikollegen Frank Henkel den Ausschlag für die Änderung. Rund 300 Flüchtlingsunterstützer waren im April 2014 nach Weißensee gefahren, um nahe dem Wohnhaus des Innensenators dessen Rücktritt zu fordern.

Auch die Grünen halten es für ausreichend, wenn in Zukunft nur noch die Postleitzahl genannt wird. „Für die Wähler ist doch wichtig, in welchem Stadtteil jemand wohnt und wie er ihn erreichen kann“, sagt der innenpolitische Sprecher Benedikt Lux. Das sei weiterhin gegeben. Einen absoluten Schutz bedeute die Änderung der Landeswahlordnung aber nicht. „Das steigert ein bisschen die Hemmschwelle“, so seine Einschätzung.

Für Udo Wolf, Fraktionschef der Linken, gibt es heute nicht unbedingt mehr Eingriffe in die Privatsphäre als früher. „Aber die Bedrohungen sind militanter geworden“, sagt er. An die Tür seines Parteikollegen Hakan Tas seien Nazi-Sprüche geschmiert worden, der Abgeordneten Evrim Baba habe jemand das Auto angezündet. Wolf erklärt sich das mit einer Entwicklung in der rechtsextremen Szene: „Das Kameradschaftsspektrum hat sich radikalisiert.“ Mit Anschlägen versuchten die Gruppen, Zulauf von Jugendlichen zu bekommen.

Erxleben selbst sagt, ihm helfe die Änderung nicht. „Das ist nett für die Bewerber bei der nächsten Wahl. Für die, die jetzt schon im Netz stehen, nützt das nichts.“ Er überlegt, im Jahr 2016 nicht erneut zu kandidieren. Aus Altersgründen, wie er betont, nicht wegen der Drohungen. „Die wollen mich ja kleinkriegen. Dieses Erfolgserlebnis gönne ich denen nicht.“

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