Wahlkampf: „Noch keine Wechselstimmung“

"Vieles geht besser": Der Landesvorsitzende der CDU über Wohnungen in Brokhuchting, den Soli, die eigene Verantwortung und das Schattenboxen.

Die CDU, wie sie sich selbst sieht: Was wichtig ist, bleibt im Dunkeln. Jörg Kastendiek auch. Bild: CDU

taz: Haben Sie wirklich keinen Bock auf den Wahlkampf, Herr Kastendiek?

Jörg Kastendiek: Wie kommen Sie darauf?

Der überall plakatierte Slogan „Vieles geht besser“ beispielsweise wirkt recht lustlos.

50, ist gelernter Betonbauer und Geschäftsführer bei Zechbau. Von 2005 bis 2007 war der heutige Landesvorsitzende und Landtagsabgeordnete der CDU mal Wirtschafts- und Kultursenator.

Sie müssen die Kampagne am Ende des Wahlkampfs beurteilen. Ich bin überzeugt, dass Sie dann sagen werden: Wow!

Glauben Sie wirklich, dass Sie nach der Wahl eine reelle Chance auf eine Regierungsbeteiligung haben?

Sonst würden wir nicht antreten.

Sie müssen das sagen!

Wir machen hier kein Schattenboxen. Ich bin davon überzeugt, dass Bremen eine Veränderung benötigt. Warten wir mal ab, wie die Wahl ausgeht! Wir kämpfen dafür, dass wir ein starkes Ergebnis bekommen.

In der Stadt kann man bislang keine Wechselstimmung wahrnehmen. Und die SPD regiert lieber mit den Grünen weiter.

Ich bin davon überzeugt, dass die Unzufriedenheit in der Stadt über diese Regierung groß ist und wächst. Richtig ist, dass noch keine große Wechselstimmung da ist – aber dafür gibt es ja den Wahlkampf.

Der Chefredakteur des Weser-Kurier schrieb: Meint man es gut mit der CDU, wünscht man ihr eine krachende Niederlage.

Davon lassen wir uns nicht beirren. Unser Wahlziel sind 25 plus X Prozent der Stimmen. Außerdem wollen wir wieder zweitstärkste politische Kraft werden – und Regierungsverantwortung übernehmen.

Was nutzt es, etwas besser abgeschnitten zu haben als die Grünen, wenn man nicht regiert?

Natürlich wird man dann anders wahrgenommen und hat mehr parlamentarische Möglichkeiten, zum Beispiel in Ausschüssen. Das hat massive Konsequenzen – auch wenn wir Oppositionspartei bleiben sollten, wovon ich nicht ausgehe.

Aber warum wollen Sie unbedingt Juniorpartner der SPD werden, wenn die so schlechte Politik macht, wie Sie sagen?

Im Augenblick gibt es nur die Aussage, dass wir Regierungsverantwortung übernehmen wollen. Mit wem das dann im Falle des Falles möglich ist, wird sich nach der Wahl zeigen.

Sie betonen stets, wie wichtig die Finanzpolitik ist. Warum gibt es dann so wenig Anträge von Ihnen dazu?

Die erste Aufgabe der Opposition ist es, auf Fehlentwicklungen der Regierung hinzuweisen. Und das tun wir. Aber man muss feststellen, dass viele finanzpolitische Themen auf die Zeit nach der Wahl vertagt werden. Und anders als Rot-Grün haben wir uns schon zum Länderfinanzausgleich positioniert.

Gerade an diesem Punkt ist Bremen von anderen abhängig. Die Frage ist doch: Was würden Sie in Bremen anders machen?

Wir müssen die Einnahmen erhöhen. Denken Sie zum Beispiel an die Ausweisung von Wohnungsbaugebieten, etwa in Brokhuchting. Wenn man Bremens Steuerkraft stärken will, muss man dafür sorgen, dass Menschen nach Bremen ziehen, hier Steuern zahlen.

Bringen uns Wohnungen in Brokhuchting wirklich weiter?

Sie müssen viele kleine Maßnahmen auf den Weg bringen.

Welche Maßnahmen?

Strukturelle Maßnahmen, durch die dauerhaft mehr Geld eingenommen wird. Auch auf der Ausgabenseite gibt es Potential: Beim Klinikum Bremen-Mitte wurden einfach mal 100 Millionen Euro mehr ausgegeben, politisch motiviert durch falsche Entscheidungen am Anfang des Projektes.

Um zu diesem Schluss zu kommen, haben Sie einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss inszeniert, der viel Geld gekostet und wenig Erkenntnisse gebracht hat.

Das sehe ich anders. Es ist nicht gottgegeben, wie Rot-Grün vermitteln will, dass Großprojekte länger dauern und teurer werden. Das ist Quatsch. Die Risiken, die es gab, hat die grüne Finanzsenatorin ignoriert. Und der Generalplaner hätte viel früher rausgeworfen werden müssen.

Was viel Geld gekostet hätte.

Das ist nicht bewiesen. Rot-Grün muss für dieses Desaster die Verantwortung übernehmen.

Zurück zum Länderfinanzausgleich. Was kann Bremen da für Bremen erreichen?

Es kann nicht angehen, das es sich nicht in den Steuereinnahmen niederschlägt, dass Bremen ein wirtschaftsstarker Standort mit erfolgreichen Unternehmen ist. Jetzt muss man abwarten, was der Bürgermeister da hinbekommt.

Aber wie wollen Sie den Länderfinanzausgleich neu regeln?

Die Mittel müssen anders zwischen den Ländern verteilt werden. Ich würde versuchen, Kombattanten in den anderen Bundesländern zu finden. Das schafft Herr Böhrnsen nicht, wie ich so höre. Und natürlich wollen Bund und Länder auch Eigenanstrengungen Bremens bei der Haushaltskonsolidierung sehen.

Wer sind diese Kombattanten?

Ich würde eine andere Gesprächsebene zu den anderen Ministerpräsidenten wählen, ganz unabhängig von der Partei. Olaf Scholz aus Hamburg lässt seinen Parteifreund Böhrnsen aber im Regen stehen.

Wie soll eine Altschuldenregelung aussehen?

Die Zinslasten könnten durch den Solidarzuschlag übernommen werden, die Länder müssten dann die Schulden abtragen.

Aus der CDU kommt aber die Idee, den Soli abzubauen.

Diese Debatte gibt es. Klar ist, Bremen benötigt Unterstützung bei der Bewältigung der Altschulden.

Als die CDU noch mitregierte, wurden 500 Millionen Euro wegen eines wertlosen Kanzlerbriefs in den Haushalt eingestellt. Vom CDU-Finanzsenator.

Den Kanzlerbrief ist das, was Henning Scherf (SPD) herausgehandelt hat und dem CDU-Finanzsenator dann mit auf den Weg gegeben hat.

Jetzt fordern Sie mehr Lehrer, mehr Polizisten. Wie passt das mit der Forderung zusammen, es muss mehr gespart werden?

30 Prozent unserer öffentlichen Ausgaben werden dazu verwendet, dass wir uns selbst verwalten. Da muss man auch an die Strukturen ran. Hier kann man durch Einsparungen Spielraum schaffen, um solche Maßnahmen zu finanzieren.

Auf einem Wahlplakat heißt es: „Das ist Rot-Grün. Letzter in Bildung“. Reichen mehr Lehrer?

Das kann schon viel bringen, wenn man sich den massiven Unterrichtsausfall anschaut. Mit Blick auf die Verlässlichkeit der Schulstrukturen wäre man gut beraten, nicht weiter zu Lasten des durchgängigen Gymnasiums Bildungspolitik zu betreiben. Das entspricht nicht dem Geist des Schulkonsenses. Es geht aber auch um die Frage, wann man mit frühkindlicher Bildung beginnt. Das schließt sich auch der Bogen zu Armutsbekämpfung – einem zentralen Thema von Rot-Grün. Da sind sie völlig gescheitert. Und nirgendwo hängt der Schulerfolg so sehr von Einkommen der Eltern ab wie in Bremen.

Die Spaltung zwischen Arm und Reich wächst schon seit Langem.

Unter Rot-Grün verfestigt sie sich. Die Zahl der Beschäftigten wächst – trotzdem beträgt der Anteil der Langzeitarbeitslosen in Bremen über 40 Prozent. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 30 Prozent. Da muss man mehr Wert auf die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt legen. Da muss man aber auch an den Strukturen in den Schulen ansetzen. Die Kinder hier sind doch nicht blöder als die in Niedersachsen. Trotzdem wird über die Hälfte der Plätze für Azubis von Niedersachsen besetzt.

Dabei werden die doch auch rot-grün regiert!

Aber erst seit Kurzem.

Schadet es Ihnen, dass sich Elisabeth Motschmann nicht festlegen will, ob sie nach der Wahl in Bremen bleibt?

Sie kämpft dafür, dem nächsten Senat anzugehören und steht für führende Aufgaben in der nächsten Legislaturperiode zur Verfügung. Das ist eine klare Aussage.

Weniger klar war ihre Nominierung. Sie wurde gefragt, weil sonst keiner wollte oder durfte.

Das hätte besser laufen können, da muss man nicht drumherumreden. Das ist meine Verantwortung, ganz klar.

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