Flugzeugkatastrophe in Frankreich: Sinkflug bewusst ausgelöst

Die Staatsanwaltschaft gibt Details zum Absturz der Germanwings-Maschine bekannt. Der Copilot soll das Flugzeug „vorsätzlich zum Absturz gebracht haben“.

Das Cockpit eines Airbus A320 (Achivbild). Bild: dpa

MARSEILLE/SEYNE-LES-ALPES/FRANKFURT dpa/afp/rtr/taz | Auf einer Pressekonferenz in Frankreich haben sich verantwortliche Ermittler näher zu den Umständen des Absturzes der Germanwings-Maschine über den französischen Alpen geäußert.

Wie bereits von mehreren Medien berichtet, war ein Pilot nicht im Cockpit, als es zur Katastrophe kam. Demnach soll der Pilot das Cockpit verlassen haben, um auf die Toilette zu gehen. In einem willentlichem Schritt habe der Copilot darauf verzichtet, dem ausgesperrten Piloten die Tür zu öffnen, sagte der Staatsanwalt Brice Robin. Dann habe ein Alarm die rasche Annäherung der Maschine an den Boden signalisiert.

Der Co-Pilot hat nach ersten Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft in Marseille das Flugzeug bewusst abstürzen lassen. Robin sagte am Donnerstag, man müsse davon ausgehen, „dass der Copilot die Zerstörung des Flugzeuges bewusst eingeleitet hat“. Der Copilot sei nicht als Terrorist erfasst. Die Angehörigen seien über alle Erkenntnisse informiert worden.

Seines Wissens nach gebe es keine Videokamera zur Beobachtung des Co-Piloten, so der Staatsanwalt. Der Copilot habe kein Wort gesprochen, es seien nur Atemgeräusche zu hören gewesen. Der Code an der Cockpit-Tür der Unglücksmaschine sei kein Code zum Öffnen gewesen, sondern einer, mit dem sich der jeweils Zugangsberechtigte identifiziert. Die Tür verriegele sich ganz automatisch und werde dann von innen geöffnet.

Die Crew und der ausgesperrte Kapitän hätten in den letzten Minuten des Fluges versucht, sich Zugang zum Cockpit zu verschaffen. In den letzten acht Minuten vor dem Zerschellen der Maschine habe es laut den Ermittlern außerdem zahlreiche Ansprachen vom Tower in Marseille gegeben, aber keine Antworten aus dem Flugzeug. Die Bergung und Identifizierung der Opfer könne mehrere Wochen dauern.

Keine Auffälligkeiten bemerkt

Bei den routinemäßigen Sicherheitsüberprüfungen des Germanwings-Copiloten Andreas L. hat die Luftaufsicht keine Auffälligkeiten festgestellt. Das teilte die Düsseldorfer Bezirksregierung am Donnerstag mit. Zuletzt sei dem 28-Jährigen Ende Januar bescheinigt worden, dass keine strafrechtlichen oder extremistischen Sachverhalte gegen ihn vorliegen.

Die Luftaufsicht habe ihn im Jahr 2008 zum ersten Mal sicherheitsüberprüft und zum zweiten Mal 2010, auch die beiden vorigen Male ohne jede belastende Erkenntnis. Die Sicherheitsüberprüfungen finden jetzt alle fünf Jahre statt, früher alle zwei Jahre.

In den französischen Alpen sind die Zufahrten in Richtung Unglücksort gesperrt worden. Die Gendarmerie riegelte am Donnerstag die Wege in die Täler ab. Es soll wohl verhindert werden, dass Unbefugte zur Absturzstelle in unwegsamem Gelände steigen.

Die weitere Bergung der Leichen am Unglücksort in den französischen Alpen könnte nach Angaben der Gendarmerie noch 10 oder 15 Tage dauern. Das sagte ein Sprecher am Donnerstag in Seyne-les-Alpes. Die bisher geborgenen Leichen würden in einem in der Nähe provisorisch eingerichteten Labor auf ihre Identität untersucht. Mehr als 30 DNA-Spezialisten und Rechtsmediziner arbeiten an der Identifizierung.

Strenge Eignungstests für Piloten nur zu Berufsbeginn

Verkehrspiloten werden nach Einschätzung des Luftverkehrsexperten Gerold Wissel nur zu Beginn ihres Berufslebens intensiv auf ihre psychische Eignung und Stabilität getestet. Später folgten regelmäßige medizinische Checks, in denen auch Gespräche über die allgemeine Lebenssituation der Piloten geführt würden, sagte Wissel am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Regelmäßige Persönlichkeitstests gebe es aber nicht.

Es gebe bei der Lufthansa wie auch bei anderen Fluggesellschaften klare Vorgaben an die Crews, auffälliges Verhalten bei Kollegen zu melden, was auch anonym geschehen könne, berichtete der Experte. Die Beschäftigten seien gehalten, schon bei kleinsten Anzeichen etwa von Alkoholismus, Depressionen oder psychischer Instabilität Alarm zu schlagen. „Das geschieht auch. Selbst beim Briefing vor dem Start kann der Kapitän noch jedes Besatzungsmitglied vom Flug ausschließen, wenn es sich auffällig verhält.“ Auch habe der Copilot das Recht, den Kapitän abzulehnen.

Nach seiner Kenntnis gebe es bei Lufthansa in dieser Beziehung sehr hohe Sicherheitsstandards, sagte Wissel. Das Unternehmen müsse aber nachweisen, dass dies in gleicher Weise auch für die Tochtergesellschaften gelte.

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