Protest gegen RB-Leipzig-Jugendcamp: „Mal einige Leutchen aufschlagen“

Finanziert wird das Camp vom Brauseverein aus Leipzig: Trotz massiver Drohungen will Halle an der Veranstaltung für Kinder und Jugendliche festhalten.

Keine Red-Bull-Freunde: Fans des Halleschen FC Bild: dpa

BERLIN taz | Eine gruselige Vorstellung ist es schon. Da soll also Mitte Juli im sachsen-anhaltischen Halle eine „Mitteldeutsche Fußballwoche für Toleranz“ veranstaltet werden, bei der unter anderem im Rahmen eines Camps Kinder und Jugendliche mit Übersteigern, Dribblings und Finten vertraut gemacht werden sollen. Und dann muss dieses Jugendcamp in dem Stadion, in dem üblicherweise der Hallesche FC (HFC) kickt, vermutlich unter Polizeischutz stattfinden, weil örtliche Fangruppen schon jetzt Sturm gegen diese Veranstaltung laufen.

Hört sich nach einem unrealistischen Szenario an, ist es aber nicht. Und der Grund, warum derartige Sicherheitsvorkehrungen wohl nötig sein werden, hat ein weiteres Mal mit den Anfeindungen und Boykottaufrufen gegen den Klub RB Leipzig und dessen Geldgeber zu tun: dem Brausekonzern Red Bull aus Österreich.

Das Camp soll als Kooperation mit der „Fußballschule der Roten Bullen“, des Nachwuchstrainings, das der Leipziger Klub für Kinder zwischen sieben und vierzehn Jahren anbietet, über die Bühne gehen. Teile der Fanszene des HFC zeigten beim Drittligaspiel am vergangenen Wochenende bereits deutlich, was sie von der Beteiligung des verhassten Klubs halten: „Toleranz hat Grenzen: Kein Fußballcamp mit dem Produkt“, hieß es auf einem Transparent.

Die von der Stadt Halle ausgerufene „Toleranzwoche“ hat eine Vorgeschichte: Ursprünglich hatte der Verein Motor Halle das Trainingslager gemeinsam mit RB Leipzig geplant. Als der Sportklub das Projekt in den sozialen Netzwerken öffentlich machte, folgte mehr als nur ein gewöhnlicher Shitstorm: Eine „Schande für unsere Stadt“ sei das Camp, so die harmloseren Meinungen, die dort zu lesen waren – andere Kommentatoren schrieben: „da sollten mal einige leutchen aufschlagen und bissl terror machen“. Aufgrund der Drohungen kam man im Verein zu dem Schluss, es sei „besser, die Sache abzusagen“, so Marcus Göpfert, der für die Öffentlichkeitsarbeit des Klubs zuständig ist, im Interview.

Kulturkampf im Fußball

Dies ist also das nächste Kapitel, das im Kulturkampf, der im deutschen Fußball derzeit stattfindet, geschrieben wird – und in dessen Zentrum Leipzigs Brauseklub als Bösewicht recht mutterseelenallein dasteht. Erst kürzlich statteten Anhänger des Karlsruher SC den Profisportlern des Klubs in deren Hotel einen Besuch ab – und bereits Ende Februar begannen die Drohungen gegen Motor Halle.

Neu dabei ist, dass es Vereinsbereiche und Aktionen seitens RB betrifft, die nicht unmittelbar mit dem Profiteam zu tun haben. „Es geht hier um Kinder und Jugendliche und nicht um Profis, allein deshalb habe ich absolut kein Verständnis für den Hass, der uns entgegengeschlagen ist“, sagt Göpfert, in dessen Verein etwa 200 Fußballer und Fußballerinnen gegen den Ball treten, die Hälfte davon im Jugendbereich.

Man dürfe sich keine Angst machen lassen, sagt der parteilose Hallenser Oberbürgermeister Bernd Wiegand. Wiegand hatte in Folge der Absage mit Leipzigs Manager Ralf Rangnick, mit Michael Schädlich, Präsident des HFC und mit Motor Halle Kontakt aufgenommen und die „Toleranzwoche“ ausgerufen. Während das Trainingslager für die Kinder ursprünglich auf den Plätzen von Motor Halle stattfinden sollte, soll nun das städtische Stadion Austragungsort sein, das zugleich HFC-Heimstätte ist (die Namensrechte des Stadions hat übrigens ein Energieversorgungsunternehmen inne).

Provokation auf dem „Heiligen Rasen“

HFC-Fan Ralf Krizsovensky hat eine Petition gestartet, die verhindern soll, dass die Fußballschulung, die auf der RB-Website wie eine Art McDonald’s-Kindergeburtstag für Nachwuchskicker beworben wird, in Halle Station macht. „Eine solche Veranstaltung auf unserm Heiligen Rasen' durchzuführen“ sei eine Provokation, der HFC stehe für Tradition und Geschichtsbewusstsein, heißt es in der Begründung der Petition, deren Ergebnis OB Wiegand vorgelegt werden soll. Man wolle die „Verkaufsatmosphäre“, die RB Leipzig umwehe, nicht mittragen. Bis zum Mittwoch haben rund 3.500 Unterstützer die Kampagne unterzeichnet.

Es gibt aber weiterhin auch Gruppen, die versuchen, die Akteure verbal einzuschüchtern: „Ich habe genauso Drohungen bekommen, ich lasse mich nicht abschrecken“, sagte Wiegand gegenüber dem MDR. Vonseiten der Stadt geht man davon aus, dass die Gewaltandrohungen aus der rechten Hooliganszene kommen.

Das Fest, das Wiegand für die Woche vom 20. bis 24. Juli plant, soll ein „Signal für positive Fankultur“ sein. Mit der organisierten Fanszene des HFC werde man den Dialog suchen, teilte er mit. In jedem Fall aber müsse man als Stadt dafür sorgen, dass das Camp stattfinden könne: „Wir gehen davon aus, dass wir optimal geschützt werden von der Polizei.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.